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Le Mans Drumherum

Le Mans Drumherum

21. Oktober 2016Das spannendste Finale der FIA European Truck Racing Championship war das letzte Rennwochenende in Le Mans vor insgesamt rund 56.000 begeisterten Fans durch denrelativ großen Vorsprung von Jochen Hahn sicher nicht – denn schon ab Jarama zweifelte eigentlich kaum mehr jemand daran, dass der deutsche MAN-Pilot Jochen Hahn in diesem Jahr seinen vierten EM-Titel einfahren würde. Doch Hahn blieb skeptisch, trotz eines Vorsprungs von 35 Punkten.
Er selbst hatte vor 10 Jahren erfahren müssen, wie schnell ein einzelnes Pech-Wochenende einen ganzen Saisonverlauf auf den Kopf stellen kann.
Und der Altensteiger kann sich auch noch bestens daran erinnern, wie ein Jahr später der Schweizer Markus Bösiger mit einem Vorsprung von 26 Zählern vor Lokalmatador Antonio Albacete zum letzten Rennwochenende nach Jarama kam.
Nach technisch bedingten Ausfällen, Zeitstrafen, diversen Protesten und schließlich vierstündiger Beratung der Rennkommission wurde Bösiger bei der FIA-Gala zwar mit einem Punkt Vorsprung zum Meister gekrönt, doch infolge weiterer Proteste wurde der EM-Titel dem Schweizer erst kurz vor Weihnachten durch die FIA endgültig zugesprochen.
Das war zwar alles extrem spannend, dennoch möchte niemand im Truckracing solch ein Szenario noch einmal erleben.
Hahn ging das Unternehmen „Titelgewinn“ nun höchst konzentriert an, war andererseits aber auch relativ entspannt. Schließlich musste nicht mehr gewinnen, sein einzig verbliebener Konkurrent im Kampf um die Meisterkrone, der Tscheche Adam Lacko (Buggyra Freightliner), war am Zug und musste vorlegen.
Dass der neue Champion schließlich in drei von vier Rennen auf dem Podium stand, zweimal sogar ganz oben bei den ersten Tagesrennen, also denen mit der doppelten Punktzahl, und so am Ende 54 von 60 möglichen Punkten holte, spricht auch für die mentale Stärke Hahns.
Dass er am Abend bei der FIA Gala dann auch noch als – von den Pilotinnen und Piloten gewählt – bester Fahrer ausgezeichnet wurde, zeigt zudem, wie sehr Hahn auf und auch neben der Strecke geschätzt wird.
Der vierfache Champion steht allen mit Rat und Tat zur Seite, er und sein Team helfen immer, wenn Not am Mann ist. So haben denn auch sicherlich sieben der in dieser Saison in der FIA ETRC an den Start gegangenen RaceTrucks schon einmal die Hahnschen Werkstätten in Egenhausen durchlaufen oder sind dort sogar komplett gebaut worden.
Es gibt nur wenige RaceTrucks im Paddock, an denen Hahn und seine Mannen noch nicht gewerkelt hätten.
Alles sah nach Friede, Freude, Eierkuchen aus, wäre da nicht jenes zweite Samstagsrennen gewesen, das unfallträchtigste der ganzen Saison – dabei waren die Würfel in eigentlich allen Kategorien ja schon gefallen.
Die erste Runde war noch nicht vorbei, da unterschätzte Anthony Janiec den Geschwindigkeitsüberschuss seines MAN-RaceTrucks, oder aber der Franzose überschätzte die Bremsfähigkeiten seines Dienstfahrzeugs – so oder so, die Folgen waren ziemlich dramatisch und führten zum Rennabbruch.
Mit rund 45minütiger Verspätung erfolgte der Neustart.
Und dieser Startversuch endete schon auf der Startgeraden.
Lacko hatte Probleme, es hieß das Getriebe habe gehakt, jedenfalls krachte zunächst ein RaceTruck in den Buggyra, und dann setzte sich das Szenario nach hinten und zur Seite fort.
Irgendwie war der Wurm drin.
Auf die schon kräftige Verspätung kam noch eine weitere halbe Stunde drauf, bevor es dann wieder losging – mit acht RaceTrucks von ursprünglich einmal 16.
Die Atmosphäre war nun verständlicherweise nicht mehr so locker und entspannt, wie sie eigentlich hätte sein können und auch sein sollen, auch wenn es trotz der schweren Crashs keine Verletzten gegeben hatte.
Statt sich diese in Le Mans am Samstagabend übliche tolle Show vor den großen Tribünen ansehen zu können, mussten die meisten Teams bis spät in die Nacht hart arbeiten, um die Trucks wieder für den Sonntag rennfertig zu bekommen – während die Fans auch die Nacht zum Tage machten, allerdings aus anderen Gründen.
Das ganze Drumherum in Le Mans erinnert auch beim Truckracing etwas an die berühmten 24-Stunden-Rennen, auch wenn sich nach dem Abschlussfeuerwerk auf der Piste nichts mehr tut.
Umso mehr Action gab’s wieder im Village, wo sich Hunderte von Showtrucks in Festbeleuchtung den Fans präsentierten, wo diverse Verkaufsstände all das anboten, was das Truckerherz höher schlagen lässt, wo nicht nur reihenweise Buden und Zelte standen, in denen getrunken und gegessen werden konnte, sondern wo auch allerlei Kirmes-Attraktionen auf die Fans warteten, und wo man sich bis in den frühen Morgen von Bands und DJs beschallen lassen konnte.
Und wenn es den Fans dann doch einmal zuviel wurde, schlenderte man einfach durchs Paddock und schaute den Teams bei der Arbeit zu, da gab’s ja nun schließlich allerhand zu sehen.
Und während all der Zeit herrschte bestes Le Mans-Wetter, zwar kühl aber trocken – da haben die Truckracer am Circuit Bugatti um diese Jahreszeit schon was ganz anders erlebt.
Am Sonntagmorgen standen bis auf den Mercedes des jungen Deutschen André Kursim, dessen Truck ja schon im ersten Zeittraining mit einem vor Ort irreparablen Motorschaden stehen geblieben war, und dem Scania des Holländers Erwin Kleinnagelvoort, dessen Truck nach dem Startunfall einem Totalschaden glich, alle wieder am Start.
Doch irgendwie war schon der letzte Biss raus, es ging eher gemächlich zu.
Doch als dann im letzten Rennen der Saison das deutsche Damen-Duo von „WOW! WomenOnWheels“, Steffi Halm und Ellen Lohr, mit ihren MAN-RaceTrucks es den Männern mal so richtig zeigte und einen Doppelsieg landete, ging auf den Tribünen ebenso wie im Paddock noch einmal die Post ab.

Impressionen:

Le Mans Drumherum
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