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Spielberg Drumherum

Spielberg Drumherum

06. Mai 2016Im Vorfeld des Saisonauftakts zur FIA European Truck Racing Championship wurde vornehmlich darüber diskutiert, wie sich der ungarische Titelverteidiger Norbert Kiss wohl mit seinem neuen Dienstwagen, dem tankpool24-Mercedes, schlagen würde. Als dann aber der erste Teil des Truckracing-Tross im österreichischen Spielberg eintraf, sprach man nur noch vom Wetter. Den Red Bull Ring knapp sechs Wochen nach Frühlingsbeginn noch einmal in weißer Schneepracht zu erleben, damit hatte wohl niemand mehr gerechnet. Doch so schnell wie der Schneespuk gekommen war, so schnell war er auch wieder verschwunden.
Als es am Freitag erstmals auf die Rennstrecke ging, herrschte bei fast wolkenlosem Himmel strahlender Sonnenschein. Nun stand auch wieder das Renngeschehen im Vordergrund.
Vom Mercedes-RaceTruck war mittlerweile bekannt, das dies noch nicht die endgültige 2016er-Edition war. Diverse Teile waren noch nicht oder aber zu spät angekommen, also musste man Kompromisse eingehen. So war auch nur einer der beiden Renntrucks von MB-Motorsport einsatzfähig, der zweite tankpool24-Pilot André Kursim war aber dennoch gekommen, zur „moralischen Unterstützung“ seines neuen Teamkollegen.
In den Freien Trainings am Freitag lag Kiss noch weiter hinten, an den beiden Renntagen fuhr der Ungar dann aber schon beide Male mit starker Leistung in die SuperPole.
Im zweiten Samstag-Rennen hatte er viel Pech, als er in Führung liegend schon in der ersten Kurve in einen schweren Crash verwickelt wurde und wenig später nach einem zweiten Unfall das Rennen aufgeben musste. Dennoch zweimal Sechster, einmal Achter, das ergab 14 Championatspunkte, zwei mehr als das Team in der Fahrerwertung in der gesamten letzten Saison hatte.
Aber Spielberg bot noch mehr Überraschungen und spitzen Leistungen auf der Strecke.
Es gab nicht nur absolut gegensätzliches Wetter – strahlender Sonnenschein am Samstag und Dauerregen am Sonntag – es gab auch völlig gegensätzliche Ergebnisse.
So wie die beiden Deutschen MAN-Piloten Jochen Hahn und René Reinert die Rennen am Samstag dominierten, so machte es fast noch eindrucksvoller der Tscheche Adam Lacko mit seinem Buggyra am Sonntag. Auch seinem Landsmann und Teamkollegen Jiri Forman beeinträchtigte der nasse Asphalt bei weitem nicht so sehr wie die Konkurrenten.
Im Vorfeld waren Hahn und Lacko als die absoluten Titelaspiranten 2016 gehandelt worden – und dann lag der Tscheche in der ersten Punkteliste der Saison am Samstag nicht nur hinter Hahn, sondern auch hinter Reinert, hinter dem Lokalmatadoren Markus Altenstrasser (Iveco) und sogar hinter dem jungen MAN-Piloten Sascha Lenz (GER).
Dabei hatte es für Lacko in den Rennen keine erkennbaren Probleme gegeben.
Doch über Nacht hatte man bei Buggyra scheinbar den Stein des Weisen gefunden, die beiden Freightliner sehr gut auf die extrem glitschige Piste eingestellt, und so „rächte“ sich Lacko denn auch gleich mit zwei eindrucksvollen Siegen. Er zog seine Runden wie auf Schienen, während die Konkurrenz wie auf Eis schlitterte.
Wer nun aber gerade wegen der unberechenbaren Pistenverhältnisse mit besonders spektakulären Bildern gerechnet hatte, der wurde eines Besseren belehrt.
Insbesondere die erste Kurve nach dem Start bietet gerade auch am Red Bull Ring immer wieder etwas Besonderes. Doch wegen der außergewöhnlichen und gefährlichen Verhältnisse – der Pistenbelag war ja auch ganz neu, noch nicht eingefahren, und für den nassen Asphalt gab es überhaupt noch keine Erfahrungswerte – ließ die Rennleitung am Sonntag jeweils zwei Einführungsrunden hinter dem PaceTruck fahren, anschließend noch zwei Runden unter Gelber Flagge – Überholverbot.
Da hatte sich das Feld schon soweit auseinander gezogen, dass man beinahe im Gänsemarsch seine Runden drehte. Zudem galt es ja erst einmal, nicht von der Strecke zu rutschen und im Kies stecken zubleiben. Erst dann dachte man auch mal daran, den RaceTruck vor sich zu überholen. Man hatte ja auch lange genug Zeit den Vordermann zu beobachten, und wenn es am wenigsten gefährlich erschien, setzte man zum Angriff an. Außer eben Lacko, der überholte einfach, auch mal weit ab von der eigentlichen Ideallinie, er fuhr am Sonntag in einer anderen Liga.
Mit diesen unwirklichen Verhältnissen kamen auch zwei weitere Piloten noch ausgesprochen gut klar, denen bisher nicht unbedingt das Image eines „Rainman“ anhaftete. Der holländische Scaniapilot Erwin Kleinnagelvoort ließ im Abschlussrennen locker solche gestandene Truckracer(innen) wie Ellen Lohr (MAN), Reinert, Altenstrasser und Lenz hinter sich, obwohl deren Trucks nominell eigentlich wesentlich stärker sind als der des Niederländers. Der Franzose Anthony Janiec stürmte im ersten Sonntagsrennen hinter Lacko gar auf den zweiten Podiumsplatz, was die größte Sportzeitung Frankreichs, Le Equipe, zum Anlass nahm, über den MAN-Piloten und über Truckracing einen doppelseitigen Bericht zu veröffentlichen.

Impressionen:

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