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Schärferer Wind

Schärferer Wind

16. Juni 2014Zwei Läufe der FIA European Truck Racing Championship liegen gerade hinter uns, und viele Beobachter hatten den Eindruck, so viele Strafen und Disqualifikationen habe es zu solch einem frühen Saisonzeitpunkt sonst nicht gegeben. Tatsächlich herrscht ein etwas schärferer Wind in der FIA ETRC. Beim Saisonstart in Misano sah sich der neue FIA-Technik-Chef Carlos Barros alle RaceTrucks auch einmal von unten an. Ein Hersteller fahrbarer Hebebühnen stellte seine Produkte beim Truckracing in Misano aus und eine dieser Bühnen der FIA dann auch gleich zur Verfügung, andernfalls wäre eine solche Hebebühne zum ersten Rennwochenende von Truck Sport Bernau mitgebracht worden. Folgen hatten diese Untersuchungen dann jedoch für kein Team, alle Strafmaßnahmen resultierten aus rein sportlichen Vergehen, oder weil ein Truck nach dem Rennen als zu leicht befunden worden war.
Im Mittelpunkt standen die Penalty Marker. Diese orangen Pfosten, die zumeist an Innenseiten von Kurven aus dem Boden ragen, sind schon lange im Reglement der FIA ETRC festgeschrieben. Sie sollen verhindern, dass einzelne Trucks einfach mal abkürzen. Denn dort, wo die meisten anderen Rennfahrzeuge stecken oder hängen bleiben würden, brettern die fünfeinhalb-Tonnen-Boliden mühelos drüber hinweg, ohne auch nur eine tausendstel Sekunde zu verlieren.
So spektakulär die Photos und Videoaufnahmen sind, wenn solche Penalty Markers umgesäbelt werden und dann zerberstend durch die Luft fliegen, so gefährlich sind sie auch. In letzter Zeit waren einige Windschutzscheiben zu Bruch gegangen. Die FIA stellte neue Anforderungen an das Material, die Rennkommissare beschlossen, das bestehende Regelwerk rigoroser anzuwenden, die Streckenmarshals wurden angewiesen exakt darauf zu achten, wer denn Penalty Markers berührt oder überfährt.
Und hier setzten dann auch die Diskussionen an. Ist erst einmal ein Pfosten überfahren worden, ist es in der Regel kaum mehr möglich, den Penalty Marker zu ersetzen – es ist für die Marshals einfach viel zu gefährlich. Sie sollen aber weiterhin exakt beobachten, ob diese Stellen überfahren werden. Die Angaben der Marshals sind da schon von recht unterschiedlicher Qualität, die Folgen für die Pilotinnen und Piloten aber extrem. Bereits im Training werden beim zweiten Verstoß Rundenzeiten gestrichen, im Zeittraining und in der SuperPole kann das gravierende Folgen für die Startaufstellung haben, beim Rennen selbst ist so etwas dann gar schon vorentscheidend. Denn bereits nach dem zweiten Verstoß gibt es Durchfahrtsstrafen bzw. im Nachgang 30 Zusatzsekunden oder im Extremfall auch eine Disqualifikation.
Da kommen hier und da schon mal Befürchtungen auf, ob es tatsächlich auch immer die Verursacher erwischt. Häufig ist es wirklich nicht einfach auszumachen, wer denn nun tatsächlich der „Übeltäter“ gewesen ist. Zudem kommen gelegentlich auch Zweifel auf, ob alle Marshalls tatsächlich ausreichend geschult und geeignet sind.
Wenn man sich aber manch seltsame Entscheidung in der gegenwärtig laufenden Fußballweltmeisterschaft vor Augen führt, getroffen von den laut FIFA ja besten Schiedsrichtern der Welt, dann darf man mit den Marshals in der FIA ETRC eher zufrieden sein. Denn dass es richtig und wichtig ist, dass die Penalty Marker nicht überfahren werden und dies entsprechend kontrolliert wird, daran besteht kein Zweifel.
Aber auch ansonsten geht man beim Regelwerk jetzt konsequenter zu Werke. Gemäß Reglement ruft der Technische Delegierte nach jedem Rennende in der Regel drei RaceTrucks zum Wiegen, um zu überprüfen, ob sie weiterhin die fünfeinhalb Tonnen auf die Waage bringen. Theoretisch kann es jeden treffen, auch wenn normalerweise nur die Topplatzierten dran sind.
In Navarra hatte Barros nun die alten, jahrelang eingeschlagenen Pfade verlassen und – vielleicht etwas überraschend, aber natürlich dennoch völlig regelkonform – auch mal einen Truck aus den hinteren Punkterängen wiegen wollen mit der Folge einer Disqualifikation und des Punktverlusts.
Insgesamt wird man sich in der FIA ETRC darauf einstellen müssen, dass das Regelwerk – sportlich und technisch – künftig etwas enger ausgelegt wird, dass nun eben ein etwas schärferer Wind weht. Und das ist auch richtig und gut so.

Impressionen:

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