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Misano Drumherum

Misano Drumherum

29. Mai 2014Das war ein Saisonauftakt nach Maß für die FIA European Truck Racing Championship.
Über 38.000 Zuschauer bei herrlichem Sommerwetter – im Schatten um die 30 Grad, Asphalttemperatur gar mehr als 50 Grad – auf dem World Circuit Misano, das waren 15 Prozent mehr als im letzten Jahr. Und das, obwohl die Protagonisten unter den Sponsoren sich mit der Einladung von Gästen spürbar zurückgehalten hatten. Dabei darf man auch nicht vergessen, seit Ewigkeiten hat Italien in der FIA ETRC keinen Lokalmatador, der die Massen anziehen könnte. Ein Deutscher, auch wenn er Gerd Körber heißt, auf einem italienischen Iveco ist da kein wirklicher Ersatz für echte Tifosi.
Dennoch war im Jahr 1 nach dem offiziellen Renault-Ausstieg und der Ankündigung von MAN sich auch aus der FIA ETRC verabschieden zu wollen, ziemlich das Gegenteil von dem zu verspüren, was einzelne Schwarzseher prophezeit hatten. Truckracing lebt – mehr als je zuvor.
Weiterhin sind die MAN-RaceTrucks das Maß aller Dinge, zumindest die mit den absoluten Top-Maschinen. Doch wie schnell sich das ändern kann, zeigte das Abschlussrennen am Sonntagnachmittag. Vorab hätte wohl niemand auf solch ein Podium gewettet, zwei Tschechen, David Vrsecky und Adam Lacko auf Buggyra Freightliner vor einem MAN. Aber nicht mit Jochen Hahn (GER), nicht mit Antonio Albacete (ESP), nicht mit Markus Bösiger (SUI) und auch nicht mit Norbert Kiss (HUN), sondern mit dem Deutschen René Reinert, dem eben nicht solch eine absolute Topmaschine zur Verfügung steht. Für die Favoriten-Crew mag das schmerzlich gewesen sein, fürs Truckracing war es gut.
Kiss zeigte sich allerdings zuvor in einer beeindruckenden Form. Er könnte sich zu einer Art Überflieger entwickeln, noch fehlt ihm etwas die Beständigkeit. Da haben Hahn und Albacete dem manchmal etwas ungestümen Ungarn etwas voraus. Dennoch, als Rennfahrer hat man den Tunnelblick, da kennt man weder Freund noch Feind, und da gehen manchmal die Gäule eben auch mit den „alten“ Hasen durch, wenn man nur noch das Treppchen vor Augen hat.
Hätte Hahn sich im zweiten Rennen mit dem 4. Platz zufrieden gegeben und seinem Markenkollegen Bösiger nicht noch im letzten Moment den letzten Podestplatz abjagen wollen, hätte er jetzt sieben Punkte mehr auf dem Konto.
Und dann wäre Körber ja aber auch nicht aufs Treppchen gekommen. Das war sicherlich – auch für das Schwabentruck-Team – die größte Überraschung, zumal der Rheinauer just in dem Rennen wegen seines vorherigen Ausfalls gar von hinten hatte starten müssen. So ganz nebenbei hat sich Körber damit sicherlich auch sein schönstes Geburtstaggeschenk gemacht.
Aber gerade das Unerwartete und Überraschende macht Truckracing ja so interessant. Wie schnell ansonsten etwas sehr langweilig werden kann, zeigt derzeit der „große Bruder“, die so genannte Königsklasse im Motorsport.
Allerdings gab es in Misano auch weniger glückliche Gesichter.
Den tankpool24-Mercedes-Piloten André Kursim (GER) wird es sicherlich fürchterlich gewurmt haben, dass ihm ein Zeckenbiss den Saisonstart versaut hat. Nicht weniger Pech hatte Ellen Lohr (GER). Erst kam ihr MAN gar nicht ans Laufen, und als es am Sonntag dann endlich auf die Piste ging, war nach nur einem Rennen auch schon wieder alles vorbei. Eine gebrochene Bremsscheibe gleich in der ersten Runde bereitete nicht nur ihr sehr viel Verdruss. Ausgesprochen unglücklich war sie im letzten Rennen in den schon nach einer heftigen Berührung mit dem Renault des Portugiesen Jose Sousa vorgeschädigten zweiten tankpool24-Mercedes ihres früheren Teamkollegen Dominique Orsini (FRA) gekracht. Beide waren danach aus dem Rennen.
Gesprächsthema und Aufreger zugleich waren die vielen Strafen in Form einer „Drive Through“ oder auch von Zeitzuschlägen wegen Überfahrens der Penalty Marker.
Diese sollen die Pilotinnen und Piloten zwingen, auf der Piste zu bleiben und in Kurven nicht einfach mal abzukürzen. Das ist schon gut gedacht, nur mit der Überwachung hapert’s. Das ist Aufgabe der Strecken-Marshals. Die Frage ist nur, sind sie tatsächlich dazu in der Lage?
Es ist manchmal einfach extrem schwierig, bei einem ganzen Pulk rasender RaceTrucks festzustellen, wer denn diesen Poller nun auch tatsächlich umgefahren hat, wenn plötzlich wieder tausender kleiner oranger Plastikstückchen durch die Gegend fliegen.

Impressionen:

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