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Nogaro Drumherum

Nogaro Drumherum

23. Juni 2011Nogaro, das beschauliche Örtchen in der Gascogne, bei den Gourmets berühmt wegen der Gänseleberpastete, wegen des Armagnacs und wegen des Flocs, bei den Motorsportfans wegen des Circuit Paul Armagnac, wie die Rennstrecke offiziell heißt, hat gerade mal etwas mehr als 3000 Einwohner. Doch in der zweiten Junihälfte strömen plötzlich mehr als zehn Mal soviel Menschen durch das enge Städtchen, dann ist Truckracing. Bis weit vor den Toren des Ortes wird jeder freie Platz zum Parken genutzt, auf den weitläufigen Wiesen rund um die Rennstrecke stehen dichtgedrängt Wohnmobile und Zelte.
Und wenn das Wetter dann auch noch halbwegs mitspielt, kennt die Begeisterung kaum noch Grenzen. Und so war es auch in diesem Jahr. Ein paar kleine Regentropfen am Samstag konnten der Stimmung keinen Abbruch tun.
Bei MKR-Renault ist die Stimmung momentan aber wohl ganz und gar nicht euphorisch. In den beiden punktereichen ersten Tagesrennen gab es ein reines MAN-Podium, das schlägt sich in den Klassements – Einzel und Team – doppelt nieder. Doch Teamchef Mario Kress ist mit insgesamt neun EM-Titeln – 5 Einzel und 4 Team – nicht umsonst der erfolgreichste RaceTruck-Konstrukteur; und vor allem ist der Workaholic – im positivsten Sinne – ein Perfektionist und Tüftler vor dem Herrn. Von den drei Wochen zwischen Nogaro und dem Truck Grand Prix am Ring werden wohl 2 Wochen in den Werkshallen des Rheinauers mit Wohn- und Firmensitz in Tschechien hart gearbeitet.
Aber auch bei MAN legt man die Hände nicht in den Schoß. Toppilot Jochen Hahn fährt derzeit sicherlich einfach in einer anderen Liga, doch die übrigen MAN-Toppiloten bewegen sich mit den drei MKR-Renaults ungefähr auf demselben Niveau. Und sehr schnell könnten da die beiden Markusse – Bösiger (SUI) und Oestreich (GER) – sowie der tschechische Juniorpartner Adam Lacko wieder die Nase vorn haben. Und deshalb, so MAN-Cheftechniker Artur Klein, werde man konsequent weiter arbeiten, dass nach Möglichkeit alle MAN-RaceTrucks mit der Performance von Hahns schwarzem Renner unterwegs sind. Allerdings ist Vordenker Klein bei diesen Bemühungen, eben im Gegensatz zu seinem Renault-Pendant Kress, etwas im Nachteil. Die einzelnen MAN-Teams konkurrieren ja auch noch untereinander und dürften kaum bereit sein, sich gegenseitig die letzten Geheimnisse zu verraten. Die drei Top-Renaults dagegen gehören alle Kress, und somit hat er natürlich gar keine Probleme, neueste Performance-Erkenntnisse eben auf alle drei Renner zu übertragen – wenn es nun den einzelnen Fahrern entgegenkommt. Und da, so scheint es, könnte es wohl am ehesten hapern – wenn man einzelnen Fachleuten Glauben schenken darf. Denn die Fahrstile der drei Piloten seien doch recht unterschiedlich, sodass man nicht unbedingt Erkenntnisse von dem einen auf den anderen übertragen könne.
Und schließlich darf man natürlich nicht die Buggyra-Freightliner vergessen. David Vrsecky bewies in Nogaro erneut, dass mit ihm durchaus zu rechnen ist. Zum zweiten Mal hintereinander holte der Tscheche bei einem EM-Lauf mehr Punkte als die beiden Renault-Top-Leute Oestreich und Bösiger.
Nicht weniger zufrieden als Team Hahn Racing und Buggyra dürfte man bei MB-Motorsport gewesen sein – auch wenn der der tankpool24-Mercedes auf einem anderen Level unterwegs ist. Steffi Halm hat sich enorm gesteigert und fährt auf einem Niveau mit Piloten, die nicht ihr nicht nur jahrelange Truckracing-Erfahrung voraus, sondern meistens auch noch bis zu 150 PS mehr unter der Haube haben. Auch der Medien-Hype um die einzige Dame in dem 20-köpfigen FIA-Fahrerfeld nimmt ständig zu, wobei sich nicht nur die TV-Teams beinahe abwechseln, um ein paar Minuten im MB-Motorsport-Zelt zu drehen.
So kam denn auch in einer Rennpause Jennifer Janiec – Truckracing fahrende Tochter aus der Janiec-Dynastie – Vater Jean-Pierre ist ihr Konkurrent in der französischen Meisterschaft und Bruder Anthony fährt seit Jahren in der FIA-EM den Renault des Team 14 – mit einem französischen Photographentross im Schlepptau.
Das war für die junge Dame aus dem schwäbischen Ammerbuch aber nur ein Vorgeschmack auf den Truck Grand Prix am Nürburgring. Hier bei ihrem Heimrennen werden die Medien und Fans wohl Schlange stehen, zumal Steffi ja auch als Botschafterin des TGP unterwegs ist – in der Windschutzscheibe ihres Mercedes-Benz-RaceTrucks prangt ein großer Aufkleber www.truck-grand-prix.de.
Der glücklichste Mensch in Nogaro war sicherlich Javier Mariezcurrena. Der spanische Bauunternehmer fährt seit Jahren in der FIA-Truck-EM und freute sich jedes Mal wie Schneekönig, wenn er seinen blauen MAN in die Punkteränge fahren konnte. Aus Zeitgründen wird er in dieser Saison aber nur bei vier Rennläufen dabei sein – als Race-by-Race-Pilot. Und dann fährt der Mann aus Navarra nicht nur aufs Podium, sondern holt sich auch gleich den ersten Sieg in seiner langen Truckracingkarriere. Doch damit nicht genug, gleichzeitig gewinnt er auch noch den Siegespokal in der Sponsorchallenge, an dem die Piloten teilnehmen, die in der letzten Saison nicht unter den Top-Ten waren.

Impressionen:

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