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Donington Drumherum

Donington Drumherum

28. April 2011Der Saisonauftakt der FIA European Truck Racing Championship im hochsommerlichen Donington barg manche Überraschungen. Wichtigste Erkenntnis auch all derer, die nicht eng mit dem MKR-Renault-Team verbunden sind, auch Mario Kress hat keine Wunderhände, auch der in Tschechien ansässige Deutsche kocht letztendlich nur mit Wasser. In einem Artikel bei Spiegel-Online wurde Kress kürzlich als Ross Brawn der Truckracing-Szene bezeichnet, was sicherlich als Anerkennung gedacht war. Ein Schelm, der dabei denkt, der Autor erwarte für Kress in der kommenden Saison das gleiche Schicksal, wie es den britischen Guru der Formel 1 ereilte, als er 2009 mit einem komplett neuen Team und mit einem neuem Auto von Null auf Hundert durchgestartet war – genauso wie Kress im letzten Jahr - um dann im Folgejahr erneut mit einem komplett neuen Fahrzeug beinahe ins Mittelfeld zurückzufallen.
Aber eben genau da liegt schon der Unterschied. Kress konnte seine Arbeit des vergangenen Jahres kontinuierlich fortsetzen – und MKR-Technology gibt auch im Truckracing schon wieder den Takt vor. Einer der beiden Markusse im Team, der Oestreich aus Deutschland führt eindeutig in der Gesamtwertung der Meisterschaft, und die „MKR-Senioren“ haben klar die Titelverteidigung der Teammeisterschaft im Visier – auch wenn sie im Moment 2 Punkte hinter Cepsa-Truck-Sport-Bernau liegen. Denn der andere Markus aus dem MKR-Team, der Bösiger aus der Schweiz, im letzten Jahr noch Vizechampion und umjubelter Sieger der Auftaktrennen, kam in Donington nicht so richtig in die Puschen. Anfangs war er vor allem mit dem Set-Up nicht sonderlich zufrieden, und im Abschlussrennen als der Schweizer eindeutig den Sieg im Visier hatte, hatte er bei den an Stockcar-Rennen erinnernden Zweikämpfen (O-Ton Bösiger) sehr oft das schlechtere Ende für sich. Und der neue Dritte im Bunde, der Tscheche Adam Lacko, hatte gar zwei Ausfälle zu verzeichnen wegen technischer Probleme im Turbobereich.
Normalerweise würde man sagen, so etwas kann schon mal vorkommen. Doch, wer den Perfektionisten Kress näher kennt, weiß, wie ihn das wurmt. Die Konkurrenz hat’s dagegen eher etwas beruhigt, dass so etwas auch bei Super-Mario passiert. Und diese Konkurrenz sind in erster Linie die fünf MAN-A-Piloten sowie David Vrsecky (CZE) und Chris Levett (GBR) auf ihren Buggyra-Freightlinern.
Aber gerade innerhalb der MAN-Familie schien die Welt teilweise auf den Kopf gestellt. Bei Truck-Sport-Bernau war der neue Mann an Bord, Uwe Nittel (GER), nicht selten schneller als die Nummer 1 – nicht nur der Startnummer nach – der spanische Cepsa-Pilot Antonio Albacete. Auch in der Gesamtwertung liegt der Deutsche vor dem Titelverteidiger. Außerdem sorgte der frühere Rallye-Vizeweltmeister zusammen mit seinen beiden eh zum Favoritenkreis zählenden Landsleuten Jochen Hahn (MAN) und eben Oestreich seit langer, langer Zeit für ein rein deutsches Podium. Seitdem die Truck-EM zur Championship geadelt worden ist, hat es wohl noch nie dreimal Schwarz-Rot-Gold an den Fahnenmasten gegeben – zumindest konnte sich niemand daran erinnern.
Hahn zeigte am zweiten Tag, dass er das Siegen nicht verlernt hat, doch am Samstag schien nicht nur er zu verzweifeln, als er plötzlich kaum schneller war als der MAN-B-Pilot Mathew Summerfield. Schließlich gilt Hahn neben Albacete als der MAN-Vorzeige-Pilot. Der englische Privatier machte jedenfalls gerade den MAN-A-Piloten Stuart Oliver (GBR) und Alex Lvov (RUS) das Leben nicht nur ausgesprochen schwer, nicht selten war er auch einen Tick schneller.
Vsrecky fuhr etwa auf dem Level des letzten Jahres, immer wieder für einen Podestplatz und auch für einen Sieg gut. Um Meister zu werden, fehlt dem dominanten Piloten der Jahre 2008 und 2009 momentan allerdings die Konstanz. Levett scheint sich an die Maße seines neuen Dienstfahrzeugs schon bestens gewöhnt zu haben, zuvor war ja in seiner Rennfahrerkarriere noch keine Hauber gefahren. Insbesondere im actionreichen Abschlussrennen zeigte der Brite auf seiner Heimatstrecke – Levett ist in dieser Gegend zu Hause, und auch das familieneigene Transport-Unternehmen Birds hat seinen Hauptsitz nicht einmal 60 km entfernt, dass er nicht langsamer ist als Teamkollege Vrsecky.
Überhaupt schieden sich an diesem Rennen die Geister. Bedingt durch die umgekehrte Startaufstellung der acht Erstplatzierten des Rennens kommt es im Folgerennen natürlich häufiger zu Überholmanövern, aber eben auch häufig zu haarsträubenden Situationen. Und nach Ansicht mancher Beobachter und Fahrer wurde dabei im Abschlussrennen dann doch schon mal übertrieben – so sehr es den Zuschauern auch gefallen haben mag.
Und Zuschauer gab es reichlich. Üblicherweise erhält man die Besucherzahlen des Wochenendes Sonntagabends von der jeweiligen Pressestelle. In Donington hieß es aber, es sei üblich, dass die Zahlen erst am Montag veröffentlicht würden. Doch trotz zweimaligen Nachfragens gab es bis jetzt – Donnerstagvormittag – kein Resultat.
Viele dieser – ungezählten – Zuschauer sorgten am Freitag und am Samstag bei so manchem Fahrer für Irritationen. Dort wo die meisten Fans standen, am Ende der Zielgeraden der „Wheatcroft Straight“ wo es in die „Redgate“- und „Hollywood“-Kurven ging, drehten gerade am Freitag bei den Trainingsfahrten immer wieder einige der Besucher den vorbeifahrenden Truckracern den Rücken zu. Das hatte aber durchaus nichts mit Nichtachtung zu tun, sondern von dem Wall, auf dem die Leute standen, sah man direkt auf einen großen Parkplatz, und auf dem wurde die British Drift Championship ausgetragen. Einige konnten sich offensichtlich nur schwer entscheiden, wo sie denn nun zuerst hinschauen sollten.
In Donington gab es erstmals die Reifenlotterie nach dem neuen Regelement, und es ist besser gelaufen, als man anfangs wohl erwartet hatte. So schnell, wie von manchem Experten befürchtet, bauten die Reifen auch gar nicht ab – ganz im Gegenteil. Bis dato war es bei den besser betuchten Spitzenteams nicht unüblich, pro Renntag mehrere Satz Reifen zu verwenden. Nun muss man aber haushalten und mit einem Satz pro Tag auskommen – und es klappt ganz hervorragend. Viele fuhren ihre schnellstens Rennrunden gegen Ende des letzten Tagesrennens, und am Sonntag schaffte Oestreich Tagesbestzeit in der 35. von insgesamt 37 Runden, die er mit diesem einen Satz Reifen gefahren war.
Am Freitagmorgen gab es seit langem mal wieder eine Pressekonferenz anlässlich eines Laufs zur FIA ETRC, moderiert von Permanent Race Director Tony Iddon. Auf dem Podium saßen neben Kevin Wheatcroft als Vertreter der Besitzerfamilie von Donington Park, und Fabien Calvet, TRO-Chef und FIA-Koordinator, noch zwei Repräsentanten von Renault Trucks, Markus Oestreich als Pilot und der Sales Manager von Renault Trucks England. Überhaupt schien der Auftakt zur Truckracing-Saison ein riesiges Renault-Marketing-Event. Manchem, der mit anderen Nutzfahrzeug-Herstellern verbandelt ist, scheint schon fast unheimlich, wie intensiv die Leute aus Lyon die Truckracing-Events mit ihren jeweils landesansässigen Kollegen zur Präsentation ihrer Produkte nutzen – und wünscht es sich insgeheim wohl auch für die eigene Marke.
Der Welt größter Hersteller mittlerer und schwerer Nutzfahrzeuge war gar nicht in Donington dabei – wurde aber sehr vermisst. Vornehmlich wohl allerdings auch eher deshalb, weil mit Steffi Halm eine junge Dame als Pilotin des Mercedes-Benz des MB-Motorsport-Teams für die Saison 2011 gemeldet ist. Selten zuvor ist wohl auch von einem Streckensprecher so häufig und intensiv über jemanden, der nicht anwesend war, gesprochen worden, wie in Donington über Steffi Halm. In Misano, so hieß es aus Kreisen von MB-Motorsport, werde man aber am Start sein, und dann wahrscheinlich – wenn nichts Schlimmes mehr dazwischen komme – bei allen weiteren Rennen auch.
Und auf das Rennen an der italienischen Adria setzen auch all die, die in Donington nicht so gut zum Zuge kamen. Die Rennstrecke in der hügeligen Landschaft Mittelenglands weist zwar ein paar haarige Ecken sowie Bergauf- und Bergab-Passagen auf, scheint aber gerade für die Top-Renntrucks gar nicht so sehr anspruchsvoll. Die meisten Streckenabschnitte wurden Vollgas im 8. Gang gefahren, nur für die Schikane vor der Einfahrt zur Zielgeraden musste man mal in den 7. runterschalten. Und so konnten auch die schwächeren Piloten und Trucks immer bestens mithalten – das könnte in Misano schon wieder ganz anders aussehen.

Impressionen:

Donington Drumherum
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