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Aussichten

Aussichten

17. Dezember 2010Anlässlich der Essen Motorshow zu Beginn dieses Monats kamen auch noch einmal die führenden Teams der FIA European Truck Racing Championship zusammen – also die beste Gelegenheit, um auch über Aussichten für die nächste Saison zu fachsimpeln. Und nach dem, was dort so geäußert, hofft man eigentlich nur, dass es auch künftig an der Spitze so eng zugehen wird, wie auf dem obigen Photo. Denn die Voraussetzungen scheinen doch sehr unterschiedlich.
Lutz Bernau, Teamchef des amtierenden Europameisters, wird in jedem Fall mit Antonio Albacete weitermachen, die Verträge mit Cepsa, dem Hauptsponsor des spanischen Piloten sind da schon unter Dach und Fach. Weniger klar ist, was mit dem zweiten MAN-RaceTruck von Truck Sport Bernau wird. Zum Zeitpunkt der Essen Motorshow war das Gefährt schon soweit zerlegt, dass es für die nächsten Rennen wieder vorbereitet werden kann. Doch bezüglich des Piloten kann Bernau noch gar nichts sagen. Man darf aber wohl davon ausgehen, dass die Liaison mit dem Briten Chris Levett nicht fortgesetzt wird.
Auch Hahn Racing hat zwei rennbereite MAN-RaceTrucks. Derzeit ist man aber mehr bemüht, den Einsatz des ersten Trucks finanziell abzusichern, bevor man einen Piloten für das zweite Fahrzeug sucht. Jochen und Diana Hahn waren beide in Essen, strahlten aber nicht gerade übermäßigen Optimismus aus. Das lag nicht allein daran, dass Jochen die Folgen einer dringend notwendig gewordenen Schulteroperation noch nicht ganz überwunden hatte. Der Schwabe macht zusammen mit seinem Cheftechniker Stefan Honens an seinem Truck ja fast alles selbst, und nun konnte Hahn den Arm kaum anheben, geschweige denn tatsächlich am Truck arbeiten. „Aber das wird“, davon war der Pilot überzeugt.
Vielmehr gibt den „Hähnen“ die finanzielle Situation zu denken. Im Team hat man einmal ganz exakte Kostenanalyse betrieben, und das Ergebnis wirkt schon beinahe paradox. Würde man die sportlichen Aspekte mal außer Acht lassen und nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden, stände sich das Team eigentlich am besten, wenn es nur noch beim Truck Grand Prix am Ring starten würde. Hier engagieren sich Hahns Partner ganz extrem, laden zudem ihre Kunden ein und sind bereit sich da auch finanziell entsprechend zu beteiligen. Mit dem hier erwirtschafteten Plus müssen dann die Mehrkosten der anderen Veranstaltungen ausgeglichen werden. Und wenn dann plötzlich solch ein auch noch extrem kostenintensives Rennen wie das in Smolensk dazukommt, das im ursprünglichen Etat ja gar nicht vorgesehen war, ist man eben sehr schnell am Limit.
Das trifft natürlich auch auf die meisten anderen Teams zu, deren jeweiligen „Etatverwalter“ noch einen weiteren Punkt beklagen. In den Zeiten der Krise, als auch viele Sponsoren harte Einschnitte verkraften mussten, hat man sich mit den meisten Partnern darauf verständigt, die finanziellen Zuwendungen zu reduzieren. Man schnallte einfach den Gürtel noch enger, dabei immer die von den Sponsoren angesprochenen wieder besseren Zeiten im Auge. Nun scheinen diese besseren Zeiten angebrochen – die Unternehmen sind in der Regel so optimistisch gestimmt wie schon lange nicht mehr – auf die Zuwendungen an die Teams scheint das aber bisher ohne Auswirkung.
Genau diese Erfahrungen berichtete auch Heinz-Werner Lenz. Der dreifache Europameister aus Plaidt hatte in Essen seinen Mercedes-Axor und den Brasilhauber ausgestellt. Gern würde er wieder eine komplette Saison fahren, egal ob nun er selbst oder Sohn Sascha am Steuer sitzen würde. Auch Lenz erzählte, dass es schwierig sei, die Sponsoren neben dem Truck Grand Prix am Ring auch für die anderen Rennen zu begeistern. Im Moment stehen bei Lenz Verhandlungen zum Verkauf des Iveco-Renntrucks an, eventuell gar komplett mit Renntransporter. Das sei dann die Grundlage für einen anderen Renntruck. Aber noch sei nichts in trockenen Tüchern. Wenn alles klappt, gerade auch mit der Finanzierung, will das Lenz-Team im nächsten Jahr bei mindestens sieben Rennen dabei sein.
Wie schon Diana und Jochen Hahn will auch Heinz-Werner Lenz aber erst einmal die Gespräche mit den Sponsoren abwarten, bevor man sich endgültig zu den Plänen fürs nächste Jahr äußert.
Da ist Mario Kress schon wesentlich konkreter und auch sehr viel optimistischer. Zwar steht auch der MKR-Chef weiter in ständigem Sponsoren-Kontakt, doch insgesamt sieht es für den Deutschen und sein tschechisches Team sehr viel positiver aus. Mit den von Kress neu entwickelten Renault-RaceTrucks hat man alle überrascht, auch sich selbst. Im Dreijahresplan ist man nun schon nach der ersten Saison weiter als realistisch eigentlich erst für das Ende des zweiten Jahres angepeilt war. Kress wird mit seinen beiden Erfolgsgaranten, dem Schweizer Markus Bösiger und dem Deutschen Markus Oestreich, weitermachen und gegebenenfalls noch einen dritten Renault-RaceTruck einsetzen. Die besten Aussichten auf den Fahrerplatz haben derzeit der Tscheche Adam Lacko und der Franzose Anthony Janiec. Für Lacko spricht neben seinem fahrerischen Können auch seine tschechische Nationalität – in einem tschechischen Team. Für Janiec spricht seine jahrelange Renaultzugehörigkeit beim Team 14 und, dass sich der Franzose während der ausgiebigen Testfahrten, die beide Kandidaten absolviert hatten, enorm verbessern konnte. Letztendlich werden wohl die Finanzierung des dritten Renaults sowie PR- und Marktpolitik den Ausschlag geben.
Völlig unabhängig davon freut sich Kress schon – wie ein kleines Kind auf Weihnachten – auf seinen neuen Motorenprüfstand. Hier will er zunächst dem auf die Spur kommen, weshalb seine Renaultmotoren mit höheren Außentemperaturen mehr Probleme hatten als die Renner der Konkurrenz. „Und ich habe da schon Ideen“, setzte der mit fünf Einzel- und drei Teamtiteln erfolgsverwöhnte RaceTruck-Konstrukteur augenzwinkernd hinzu.