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FIA-Zeremonie 2010

FIA-Zeremonie 2010

09. Oktober 2010Die friedliche und ausgesprochen freundliche Stimmung, wie sie schon während des ganzen Wochenendes am Circuito del Jarama geherrscht hatte, fand auch am Sonntagabend bei der FIA-Zeremonie im Penarrubia Country Estate ihre Fortsetzung. Es gab keine kritischen Anmerkungen, geschweige denn auch nur ein einziges böses Wort. Allerdings hatten auch nur der neue Präsident der FIA-Truckracing-Kommission, Manuel Vidal, der die Begrüßungsansprache hielt, die beiden Moderatoren Roger Llopart und Jonathan Reeves sowie die Vertreter der FIA, Frederique Trouvé und Tony Iddon, überhaupt Gelegenheit etwas ins Mikrofon zu sagen. Nein, wenn man es ganz genau nimmt, kam auch noch jemand anderer zu Wort, Markus Reiter, Freund und Betreuer von Uwe Nittel, antwortete auf eine an ihn gerichtete Frage: „Nobody.“
Also kein Vergleich mit der aufgeheizten Stimmung von 2007, als sogar ein ganzes Team aus Protest die Feier ignorierte. Andererseits wünscht sich auch niemand solch eine prekäre Situation wie damals zurück. Nun wurde mehr in den Erinnerungen an die vergangene Saison geschwelgt, und da stand bei allen Reden das Rennen am Smolenskring weit vorne an. Eine Delegation aus Russland war schon während des ganzen Wochenendes an der Rennstrecke, wo man u.a. auch ein anlässlich des eigentlich schon historischen Ereignisses des ersten FIA-Rundstreckenrennens in der russischen Föderation erschienenes Buch präsentierte, und nun waren Mike Konovalov und Co auch Gäste der FIA Zeremonie. Stolz nahm man den anhaltenden Beifall der versammelten Truckracing-Gemeinde entgegen.
Es war schon Mitternacht als die eigentliche Preisverleihung anstand, am Ende gab es keinen Piloten, der nicht eine Trophäe mit nach Hause nehmen konnte. Mit stehenden Ovationen wurde erneut Antonio Conejero empfangen. Wie schon in „Jarama Drumherum“ v. 6.Oktober beschrieben hatte der Spanier im Juni während des Rennens in Albacete einen Schlaganfall erlitten. In Begleitung von Frau und Tochter besuchte der allseits sehr beliebte Spanier nun erstmals wieder ein Truckracing-Event. Sichtlich gerührt nahm Conejero die Trophäe und den Beifall entgegen. Nicht weniger ergriffen waren die im Saal Versammelten als Oxxo-Racing-Teammanager Ákos Jobbágy der Pokal für den im Juli tödlich verunglückten Balazs Szobi übergeben wurde.
Es hatte schon viele Ehrungen und sehr viel Beifall gegeben als schließlich die Top-Ten anstanden. Anthony Janiec schaffte in seinem 4. Truckracing-Jahr den Sprung in die Spitzengruppe. Um einen Punkt musste sich der französische Renault-Pilot dem deutschen Durchstarter Uwe Nittel geschlagen geben. Im letzten Jahr hatte der Rallye-Pilot als Gast im Mittelrhein-Cup beim Truck Grand Prix am Ring erstmals Truckracing-Luft geschnuppert – und dann ließ es ihm wohl keine Ruhe mehr. In Albacete sprang der Schwabe dann als Race-by-Race-Pilot bei Buggyra ein. Sehr vielmehr war ursprünglich auch nicht geplant – doch schließlich wurden daraus sieben Rennen. Damit wurde Nittel dann nicht nur „Rookie of the Year“, wofür er eine weitere Trophäe einheimste, sondern schrieb als mit 82 Punkten absolut erfolgreichster Race-by-Race-Pilot auch noch Truckracing-Geschichte. Doch dem Freightliner-Piloten wurde noch eine weitere Ehrung zuteil, auf die er sicherlich weniger erpicht gewesen ist, er wurde für seinen spektakulären Aufsetzer auf den MAN von Alex Lvov noch für den „Crash of the Year“ ausgezeichnet. Und diesem Zusammenhang wurde sein Betreuer Markus Reiter dann gefragt, wer denn in Most den Funkkontakt zum Piloten gehabt habe: „Nobody.“
Damit er künftig in ständigem Kontakt zu seinem „Schützling“ stehen könne, wurde dem verdutzten Reiter ein altertümliches Tastentelefon mit extra langer Leitung überreicht.
Der 8. Platz ging an den schon erwähnten Alex Lvov. Mike Konovalov nahm für ihn den Preis entgegen, da sein russischer Landsmann – wie das komplette Team von Egon Allgäuer – schon abgereist war. Einer vom Team war dann aber doch noch in Jarama geblieben, der siebtplatzierte Adam Lacko, und so konnte der Tscheche seine Trophäe dann auch persönlich in Empfang nehmen, wohingegen der Engländer Chris Levett auf dem 6.Platz sich von seinem Bruder Richard vertreten ließ.
Titelverteidiger David Vsrecky hätte auch zwei Trophäen bekommen können, neben der für seinen 5. Rang auch die des Pechvogels des Jahres – wenn es dafür etwas gegeben hätte. Selten zuvor hatte es einen Truckracer im Jahr seiner Titelverteidigung so hart erwischt wie den Tschechen und seinen Buggyra Freightliner – insbesondere zum Ende der Saison. Markus Oestreich dagegen klebte anfangs das Pech an den Reifen seines MKR-Renaults als die direkte Konkurrenz pro Rennwochenende bis zu 20 Punkte mehr einfuhr. Nach dem absoluten Tiefpunkt in Albacete als es für den Deutschen zu gerade mal 12 Pünktchen langte, holte der Fuldaer zur großen Aufholjagd aus. Schließlich stand am Ende gar noch der Vizetitel in Reichweite.
Bevor die drei Ersten geehrte wurden, gab es die Preise für die Team-Europameisterschaft.
Den 3. Platz holte sich das Team Hahn-Oxxo-Racing (Jochen Hahn / Balazs Szobi bzw. Zoltan Birnbauer), für das die beiden Teamverantwortlichen Konrad Hahn und Ákos Jobbágy die Trophäe gemeinsam entgegen nahmen. Auf den 2. Platz kam Truck Sport Bernau (Antonio Albacete / Chris Levett). Nachdem Teamchef Lutz Bernau noch tags zuvor selbst die Preisträger der Sponsors Challenge ausgezeichnet hatte, zählte er diesmal zu den Geehrten. Und dann preschte der in jeder Beziehung Gewinner des Jahres nach vorn, Mario Kress. Drei Teameuropameisterschaften sind bisher ausgefahren worden und jedes Mal nahm Kress den Pokal entgegen – allerdings als Teamchef von Buggyra. Vor nicht einmal einem Jahr gründete der mittlerweile im tschechischen Roudnice verheiratete und beheimatete Badenser sein eigenes Motorsport-Unternehmen, Mario Kress Racing – MKR Technology.
Mit Renault Trucks wurde ein längerfristiger Vertrag abgeschlossen, der am Ende schon den Gewinn der Europameisterschaft zum Ziel hatte. Dass dies in der Teamwertung mit dem Fahrerpaar Markus Bösiger / Markus Oestreich aber gleich im ersten Anlauf klappen würde, damit hatten wohl auch die größten Optimisten im Team nicht gerechnet.
Zunächst waren die FIA-Vertreter allerdings schon überrascht, als ihnen da ein junger Mann mit vollem Haarschopf gegenüberstand. Schließlich hat Kress – sagen wir einmal – eher extrem kurz geschnittene Haare. Aber an seiner markanten Nase war Mario dann doch schon zu erkennen, bevor ihm seine Frau Klara die Perücke wieder vom Kopf nahm.
Da auch von den ersten Dreien in der Teamwertung niemand aufgefordert wurde, ein paar Worte zu sagen oder gar eine Rede zu halten, ging es dann Schlag auf Schlag weiter.
Wie im Vorjahr holte sich Jochen Hahn mit seinem „MAN IN BLACK“ erneut den 3.Platz im Fahrer-Championat. Letztendlich hat der Deutsche genauso viele Siege wie der Zweitplatzierte – acht, davon allerdings nur einen in den punkteträchtigeren ersten Tagesrennen und sieben im jeweils zweiten. Beim neuen Vizemeister, dem Schweizer Markus Bösiger, war das genau umgekehrt, und das hat, obwohl Bösiger häufiger auch mal eine Nullrunde zu verkraften hatte, letztendlich den Ausschlag gegeben. Direkt mit dem Sieg im ersten Rennen der Saison auf einem ganz neuen Auto – eben dem MKR-Renault – und dann auch noch mit gebrochener Hand legte Bösiger den Grundstein für den letztendlich unerwarteten Erfolg.
Beinahe enthusiastisch gefeiert wurde schließlich der neue Champion, Antonio Albacete. Nie zuvor hatte der spanische MAN-Pilot, dem früher gelegentlich auch schon mal das Temperament durchging, solch eine disziplinierte Saison auf die Piste gelegt. Mögen die MKR-Renault-Piloten häufig auch einen Tick schneller gewesen sein, jeweils 5 Siege in den ersten und in den zweiten Rennen zeugen von der Ausgeglichenheit Albacetes. Dazu gab es für den Spanier keine gravierenden Ausfälle. Da, wo es ihn ganz böse erwischt hatte, in Misano, wurde das Rennen wegen der verölten Strecke nicht mehr neu gestartet, auch so etwas gehört zum Glück des Tüchtigen.
Den Abend, besser den frühen Morgen, beschloss ein Film von Kamiono TV, in dem die Saisonhöhepunkte und die besten Action-Szenen noch einmal zu sehen waren.