Dienstag, 19.03.2024 | Deutsch | English
Jarama Drumherum

Jarama Drumherum

06. Oktober 2010Es war das erwartete Fest in Cepsa-Rot, auch wenn die offizielle Zuschauerzahl 32.000 im Vergleich zu den Vorjahren eher ernüchternd wirkte. Auf der großen Tribüne an der Zielgeraden war tatsächlich kaum Leben. Doch die Graswälle und Tribünen, die schon immer fest in der Hand der ganz hart gesottenen Truckracing-Fans sind, waren nicht nur wieder vollbesetzt, dort gab es auch diesmal wieder das Spektakel, bei dem eigentlich jeder neue Jarama-Besucher den Mund vor Staunen nicht mehr zubekommt. Früh morgens, noch im Halbdunkeln sichert man sich dort schon die besten Plätze – für viele Fans die direkt hinterm Zaun und damit auch die, auf denen man den meisten Staub mitbekommt wenn die Trucks vom Asphalt ins Kiesbett rutschen, und das tun sie häufig. Dort amüsiert man sich auch, ohne dass auf der Piste irgendetwas passiert.
Zur Verstärkung der eh schon ohrenbetäubenden Geräuschkulisse wurden diesmal an die unvermeidlichen Kettensägen-Motoren auch noch Schalltrichter montiert. Und am Sonntagnachmittag ist die Stimmung dann am Siedepunkt angelangt, dem konnte diesmal auch der – in Jarama ausgesprochen seltene – Regen während des letzten Rennens nichts anhaben.
Angesteckt von dieser einzigartigen Atmosphäre absolvieren hier selbst die Piloten Burnouts und Donuts, die sich ansonsten bei so etwas eher in Zurückhaltung üben. Das obligatorische Werfen des Rennhelms in Zuschauermassen bleibt wohl weiterhin allein Local Hero Antonio Albacete vorbehalten.
Einige Piloten, auch wenn sie von ihrem Naturel her eigentlich als weniger euphorisch gelten mögen, wären sicherlich auch gern dabei gewesen. Doch beim MAN des Engländers Chris Levett gab es vor dem letzten Rennen technische Probleme, und die beiden MKR-Renaults, von denen nun allseits erwartet wurde, dass sie bei diesen äußeren Bedingungen – nasse rutschige Piste und ausgesprochen kühl – ihren nächsten Doppelsieg landen würden, kamen über die ersten Runden nicht hinaus. Markus Oestreich erwischte schon ganz zu Anfang ein Motorenproblem und den anderen Markus, den Bösiger aus der Schweiz, erwischte sein langjähriger Teamkollege David Vsrecky so heftig an der Vorderachse, dass Bösigers Renault manövrierunfähig neben der Piste liegen blieb.
Dennoch, schon das ganze Wochenende herrschte irgendwie Friede, Freude, Eierkuchen, selbst wenn etwas sehr spektakuläre Aktionen einzelner Piloten bei manchen Teams der Konkurrenz für reichlich Mehrarbeit sorgten. So war das Team Hahn Racing bis fast um drei Uhr in der Nacht zum Sonntag unter tatkräftiger Hilfe von Kollegen aus anderen Teams damit beschäftigt, den von den „Hähnen“ betreuten MAN des Finnen Mika Mäkinen, der beim Start zum letzten Rennen in die Boxenmauer gedrückt worden und dort die in die Piste hereinragende Startampel komplett mitgenommen hatte, wieder fahrbereit zu machen. Und bei soviel Friedlichkeit wunderte es dann auch kaum mehr, dass Antonio Albacete seinem ewigen Widersacher Markus Bösiger, dem der Spanier im Vorjahr hier in Jarama nach dem folgenschweren Crash im ersten Rennen am liebsten noch auf der Rennstrecke aus dem RaceTruck hatte zerren wollen, bei einer Siegerehrung mit einem kleinen – Bösiger scheinbar nicht bekannten – Trick die Sektflasche öffnete.
Aber in der FIA ETRC werden ja nicht nur der Europameister und das beste Team gekürt, sondern auch die Preisträger im Sponsors Challenge Cup. Dieser Wettbewerb war von Lutz Bernau vor drei Jahren ins Leben gerufen worden und ist für die Piloten ausgeschrieben, die nicht unbedingt immer ganz vorn mitfahren – d.h. im Gesamtklassement des Vorjahres nicht unter den ersten Zehn – und für Neueinsteiger. Denn jedermann im Truckracing weiß, dass gerade diese Truckracer für die Fans häufig erst das Salz in der Suppe ausmachen. Sie kämpfen noch um jeden Zentimeter, wenn die Toppiloten häufig schon taktierend gar kein Risiko mehr eingehen wollen. Und so kommt es nicht selten vor, dass die weiter hinten Platzierten an den Strecken wesentlich mehr Beifall einheimsen als die, die auf dem Podium stehen.
Es gibt es hier eine ganz eigene Wertung unabhängig von der der FIA. Und so kommt es auch schon mal vor, dass einzelne Piloten im FIA-Gesamtklassement besser platziert sind als die direkten Konkurrenten im Sponsors Challenge Cup. Für den Erstplatzierten gibt es bei jedem Rennen 20 Punkte und die für weiteren Platzierten jeweils einen Punkt weniger. Insgesamt gab es 30 Preisträger. Gewinner des Sponsor Challenge Cup 2010 ist Javier Mariezcurrena (ESP) vor Anthony Janiec (FRA) und Jean-Pierre Blaise (BEL). Die Top-Ten werden vervollständigt durch Jeremy Robineau (FRA), Jose Bermejo (ESP), Jose Rodrigues (POR), Michel Bassanelli (FRA), Erwin Kleinnagelvoort (NEL), Zoltan Birnbauer (HUN) und Mika Mäkinen (FIN). Auch wenn er nicht unter den TopTen war, erhielt der Antonio Conejero den größten Beifall. Der Spanier gehört seit vielen Jahren zur Truckracing-Gemeinde und war schon immer einer der beliebtesten Piloten. Im Juni erlitt Conejero während des Rennens in Albacete einen Schlaganfall. Mittlerweile hat er sich soweit erholt, dass er mit Unterstützung seiner Familie wieder am normalen Leben teilnimmt und in Jarama auch seinen Preis im Sponsors Challenge Cup entgegen nehmen konnte.