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Der Freitag in Smolensk

Der Freitag in Smolensk

06. August 2010Smolensk - Diesmal ist nicht nur alles neu, diesmal ist auch alles anders. Geplant war von der Reise nach Smolensk regelmäßig zu berichten. Doch das letzte Mal, dass es eine Internetverbindung über Mobiltelefon gegeben hat, war im Nordosten Polens. Weder aus Litauen noch aus Lettland konnten Daten übertragen werden und auch nicht aus Russland. Die Reise nach Smolensk wurde am Dienstagmorgen fortgesetzt. Die Straßen in Litauen, das sich rühmt, die besten Straßen des Baltikums zu haben, waren auch anfangs recht akzeptabel. Doch im weiteren Verlauf der E 262 gab es auf gut 50 km immer wieder lange Baustellenabschnitte. Die Straße dort hätte jeder Truck-Trial-Strecke zur Ehre gereicht. Und je näher man dann in Lettland der Grenze nach Russland kam, desto abenteuerlicher wurden auch hier die Straßen. Bei einem der Trucks im Konvoi hatte sich schon der Schlitten mit dem Stromgenerator gelöst und eine Wand kräftig beschädigt. Bei anderen öffneten sich die Seitenklappen, die Schränke in den Aufliegern, Gegenstände purzelten durch die Gegend.
Am Dienstagabend war der Tross gegen 21:00 Ortszeit (20:00 MEZ) an der Grenze nach Russland in Terehova. Die LKW-Schlange betrug rund 5 km. Die Fahrzeuge zur „Truck Battle Russia – Smolensk 2010“ konnten aber daran vorbei und trafen sich auf einem abgesperrten Platz direkt an der Grenze. Dort stand zum Empfang TRO-Chef Fabien Calvet, der die letzten Instruktionen für den Grenzübertritt gab. In aller Eile wurden die letzten Papiere ausgefüllt, und schon hieß es, sich in die Schlange zum ersten Schlagbaum einzureihen. Was die einzelnen Mitglieder des Truckracing-Tross danach erlebten, könnte ein Buch füllen. Auf der russischen Seite wurden die Teams von Mike Konovalov betreut – hauptsächlich bei den Zollformalitäten. Und dann gab es da noch Fadi Abu Habib, ein Kameramann von Kamiono TV, der neben arabischen auch weißrussische Wurzeln hat und sich somit bestens verständigen konnte. Die Teams waren alle froh, ihn als „Dolmetscher“ an der Seite zu haben. Die meiste Zeit verbrachte man allerdings mit Warten. Wir selbst schafften es, zusammen mit Kamiono TV gegen 6 Uhr russischer Zeit (4:00 MEZ) die letzte Hürde zu überwinden, der letzte Truck war dann endlich gegen 11:00 Ortszeit abgefertigt worden. An einer großen Tankstelle etwa 4 km hinter der Grenze sammelte sich der mittlerweile auf gut 30 Fahrzeuge angewachsene Tross,.
Nun ging es unter Polizeibegleitung auf die rund 450 km lange Strecke bis zum Smolenskring. Dabei wurden Streckenabschnitte gefahren, die den Holperstrecken zuvor in nichts nachstanden. Allerdings musste jetzt dem Tempo des vorher fahrenden Polizeifahrzeugs gefolgt werden. Ein heftiger Reifenplatzer an einem RaceTruck-Transporter konnte den Vorwärtsdrang des Konvois nur kurzfristig stoppen. Selten zuvor hatte es wohl auch so viele Mechaniker aus unterschiedlichsten Teams für einen Reifenwechsel gegeben.
Gegen 22 Uhr erreichte der Konvoi dann endlich den Smolenskring, wo noch kräftig gearbeitet wurde. Das war dann doch sehr überraschend, hatte es doch zuvor geheißen, die Strecke sei schon abgenommen.
Ansonsten hieß die oberste Devise nur noch Schlafen. Schließlich hatten die meisten seit fast 40 Stunden kein Auge mehr zugemacht. Am Donnerstagmorgen gab es dann einen recht ungewöhnlichen Wecker, um 6 Uhr wurden die Arbeiten im Paddock und an der Strecke mit schwerem Baugerät fortgesetzt. Innerhalb kürzester Zeit wurden jetzt noch der größte Teil der Leitplanken gesetzt, Kiesbetten und Auslaufzonen verfüllt, die Startampel sowie die Zeitmessung installiert, der letzte Rest des Paddocks asphaltiert und die Sanitäreinrichtungen – wenn auch nur provisorisch – in Betrieb genommen.
Insgesamt werden 12 RaceTrucks an den Start gehen. Als besonderes Schmankerl für die russischen Fans wird Mike Konovalov den zweiten Buggyra Freightliner pilotieren. Als heute Mittag um 12 Uhr die Trucks ihre ersten Runden drehen sollten, verließen gerade die letzten Bauarbeiter die Piste. So wurde es dann 12:23 als mit Markus Bösiger mit dem MKR-Renault erstmals ein RaceTruck den neuen Asphalt malträtierte. Erster Eindruck der Piloten, eine enge, sehr anspruchsvolle und Material verschleißende Strecke. Kurzen Vollgaspassagen folgen direkt wieder scharfe Kurven, die den Piloten zu einer Vollbremsung zwingen. Und dabei ist allerhöchste Akribie erforderlich. Denn einmal an ungünstiger Stelle vom Asphalt abgerutscht, bedeutet es für den Piloten das Rennaus. Aus eigener Kraft hat er kaum mehr eine Chance auf die Piste zurückzukommen. Auf dem engen, schon fast verwinkelten Kurs, gibt es keine Rettungswege, sodass auch kein Abschleppwagen einen Havaristen kurzfristig aus einem Gefahrenbereich ziehen könnte. Es würde niemand überraschen, wenn es den einen oder anderen Rennabbruch geben würde.