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Jarama Drumherum

Jarama Drumherum

12. Oktober 2009Als mittwochs morgens die ersten Teams eintrafen, war es noch reichlich feucht im Paddock des Circuito del Jarama. Es hatte die ganze Nacht zwar nur leicht aber beständig durchgerechnet. Doch dann wurde das Wetter genauso, wie es die Wetterdienste vorhergesagt hatten, Sonnenschein pur und Temperaturen jenseits der 25 Grad, auch wenn es nachts noch empfindlich kühl wurde. Eigentlich beste Voraussetzungen für ein ungetrübtes Truckracing- Wochenende. Doch leichte Wolken zogen erstmals auf, als bekannt wurde, dass die Kommissare vor Ort die Rigdon-Reifen nun komplett verboten hatten. Diese standen zuvor wegen einiger Auflösungserscheinungen in Zolder unter Beobachtung, doch zwischenzeitlich – also in Le Mans – hatte es keine Probleme mehr gegeben. So kam denn auch diese Entscheidung völlig unerwartet. Ein Anhänger voll mit neuen Rigdon-Reifen stand im Paddock, während von der einzigen echten Alternative, den Goodyear-Reifen nun nicht ausreichend Exemplare vorhanden waren.
In der Nacht zum Sonntag wurde Nachschub geliefert, sodass auch der zweite Renntag diesbezüglich gesichert war. Doch da war die Luft eigentlich schon raus, da war die Reifenfrage eher zu einer Nebensache geworden.
Um die Meisterschaft noch für sich entscheiden zu können, hätte Antonio Albacete 11 Punkte mehr als der führende Buggyra-Pilot David Vrsecky einfahren müssen. Bei normalem Verlauf – also ohne Ausfall des Tschechen – hätte der Spanier dann aber auch schon beide ersten Tagesrennen – also die mit der doppelten Punktzahl – gewinnen müssen. Der Madrilene galt hier in Jarama als eindeutiger Favorit. Er kennt auf dieser, seiner Hausstrecke jeden Stein und jeden Zentimeter, hat hier schon unzählige Siege gefeiert, Vrsecky hatte in Jarama noch nie gewonnen. Doch dann ging das erste Zeittraining überraschenderweise an den zweiten Buggyra-Piloten Markus Bösiger; überraschend deshalb, weil der Schweizer während der letzten Rennwochenenden eher etwas geschwächelt hatte. Doch mittlerweile war die Techniker-Crew von Buggyra dem Problem Bösigers, der mit dem Fahrverhalten seines Trucks nicht so Recht zufrieden war, auf die Spur gekommen. Es waren die vorderen Stoßdämpfer, die unter bestimmten Bedingungen nicht immer exakt arbeiteten. Bei den normalen Stoßdämpfer-Tests war dies Problem nicht zu erkennen gewesen.
Nun freute sich der Schweizer, beweisen zu können, dass er noch längst nicht zum „alten Eisen“ gehört. Wenig Freude herrschte dagegen beim Cepsa-Team, denn Albacete konnte seinen MAN nur auf den 3. Startplatz vorfahren, vor ihm lag auch noch sein eigentlicher Widersacher im Titelkampf, Bösigers Teamkollege Vrsecky – eine ausgesprochen ungünstige Ausgangssituation. Dennoch, so dramatisch hatte es wohl niemand erwartet.
Als Polesetter Bösiger am Ende der langen Startgeraden, bevor es in die fast 180-Grad Rechtskehre geht, relativ früh bremste, erwischte ihn Lokalmatador Albacete heftig am Heck. Wenige Hundert Meter weiter eingangs der Le Mans-Kurve knallte der rote Cepsa-MAN des Spaniers noch härter auf Bösigers grauen Buggyra, diesmal mit weit reichenden Folgen. Beide Trucks landeten jenseits der Piste.
Albacete, der in dem Moment wusste, dass seine Meisterschaftsambitionen nun im Kies begraben waren, sprang aus seinem Fahrzeug, rannte gut dreißig, vierzig Meter bei laufendem Rennbetrieb durch das tiefe Kiesbett, bevor er an der offenen Kabinentür Bösigers von einem Marshall aufgehalten wurde.
Was dann folgte, wurde je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich betrachtet. Albacetes verständliches, aber dennoch gegen das Reglement verstoßende Verhalten nach dem Crash blieb offensichtlich ungeahndet – zumindest wurde darüber nichts bekannt – während Bösiger – wie es zunächst hieß – vom nächsten Rennen ausgeschlossen werden sollte, wegen seines Bremsmanövers.
Nach einem Protest seitens Buggyra durfte der Schweizer dann im allerletzten Moment doch noch an den Start gehen – aus der Boxengasse heraus, weil er zu spät in die Startaufstellung gekommen war. Nach Angaben von Buggyra, hätte die Rennleitung anschließend aber eine Protestgebühr von 20.000 Euro haben wollen, man habe sich geweigert, diese zu bezahlen, und dann sei Bösiger wegen „dangerous and anti-sportive behaviour“ für das ganze Wochenende gesperrt worden.
Am Sonntag gab es dann doch noch das Truckracing-Fest, auf das sich die Spanier in Jarama so gefreut hatten. Albacete holte sich unter dem Jubel der insgesamt 41.000 enthusiastischen Fans beide Siege. Keiner seiner Mitstreiter widersetzte sich dem Lokalmatadoren auch sonderlich, schließlich waren die wesentlichen Entscheidungen längst gefallen.
Dabei erging es dem Spanier zu Beginn des ersten Rennens beinah ähnlich wie am Vortag seinem Kontrahenten Bösiger. Am Ende der Startgeraden eingangs der lang gezogenen Rechtskehre war Polesetter Albacete so langsam, dass Vrsecky und der Engländer Chris Levett außen an ihm vorbeizogen. Allerdings wurde Jochen Hahn in diesem Moment auch abrupt langsamer und knallte seinem vor ihm fahrenden MAN-Markenkollegen nicht aufs Heck. So konnte Albacete auf der günstigeren Innenbahn schnell wieder aufholen und in der nächsten Kurve auch schon den Platz machenden Vrsecky überholen.
Die auch ob des überlegen fahrenden Lokalmatadors überschwängliche Stimmung auf den Rängen übertrug sich aber nicht unbedingt ins Fahrerlager. Hier wurden immer noch die Ereignisse des Vortags diskutiert, und es interessierte vielmehr, was denn nun aus dem Rennteam von Egon Allgäuer werden würde. Schließlich hatte der Österreicher immer wieder erwähnt, er wolle alles verkaufen und sich aus dem Truckracing zurückziehen.
Wäre das Wochenende anders verlaufen, hätten Bösiger und Allgäuer ja vielleicht bekannt gegeben, dass der Schweizer das komplette Team mit allem Drum und Dran übernehmen werde, schließlich war man sich im Vorfeld prinzipiell schon handelseinig geworden.
Doch vor wenigen Tagen hat Bösiger verlauten lassen, dass er das Team nicht kaufen werde. Als Grund nannte er seine Probleme mit der Truckracingkommission. Dennoch ist fraglich, ob Allgäuer im nächsten Jahr wieder dabei sein wird, denn auch er machte ja nie ein Hehl aus seinen Schwierigkeiten mit einzelnen Mitgliedern der Kommission. So fuhr denn auch das komplette Team relativ früh am Sonntagabend Richtung Heimat – und blieb den FIA-Feierlichkeiten fern.