Freitag, 19.04.2024 | Deutsch | English
Jarama Drumherum

Jarama Drumherum

13. Oktober 2008Vielleicht fehlte es etwas an Spannung beim Finale in Jarama – nicht aber an Stimmung. Vorab war eigentlich schon klar, dass die Titelvergabe eine rein Buggyrainterne Entscheidung sein würde. Denn sollte David Vsrecky auch nur einen einzigen Punkt holen – und daran zweifelte niemand – hatte Local Hero, Antonio Albacete, keine Chance – selbst wenn er jedes Rennen gewinnen würde. So konnte dem Tschechen nur noch sein eigener Teamkollege, Titelverteidiger Markus Bösiger, die Suppe versalzen. Und Buggyra-Chefstratege Mario Kress würde schon dafür sorgen, dass die beiden Titelaspiranten sich im übertriebenen Eifer nicht noch im letzten Moment gegenseitig von der Piste schießen würden. Hätte Vrsecky hier allerdings das Ausfallpech erwischt, das Bösiger in Jarama im letzten Jahr beinahe noch den Titel gekostet hätte, wäre dieser aber sicherlich erneut an den Schweizer gefallen. Schließlich trennten ihn vom Spitzenreiter gerade mal 18 Punkte – und mehr Siege hatte er auch.
Letztendlich ging das Finale dann doch nicht so spektakulär und dramatisch über die Bühne wie 12 Monate zuvor. Den 35.000 hat’s aber gefallen, schließlich konnten sie gleich vier Siege ihres Antonios feiern. Der kleine Madrilene war der Star, stand immer wieder für Fotoshootings mit den Fans bereit, und zum Schluss warf er natürlich wieder voller Überschwang seinen Helm in die Menge – in Jarama für Albacete mittlerweile ein Ritual.
Aber es gab auch wirklich Überraschendes. Wer hätte gedacht, dass David Patalacci mit seinem betagten und eigentlich gar nicht konkurrenzfähigen DAF-RaceTruck einmal die Top-Speed-Liste anführen würde – und das gleich mit 165 km/h. Dem originellen Franzosen wird das sehr viel mehr gefallen haben, als dass ihn die anschließende zwangsläufige Disqualifikation geärgert hätte. In den Punkterängen war er eh nicht gelandet.
Die nächste Überraschung war nicht ganz gelungen. Für Jochen Hahn reichte es „nur“ zu zwei zweiten Plätzen. Nur zu gern hätte der Altensteiger sein erstes MAN-Jahr so abgeschlossen wie sein letztes Mercedes-Jahr – mit einem Sieg in Jarama. Dennoch hat der einzige deutsche FIA-ETRC-Pilot weit mehr erreicht, als ihm die meisten Konkurrenten und Truckracing-Experten nach seinem Markenwechsel wohl zugetraut hatten. Insbesondere nach den Erfolgen in der zweiten Saisonhälfte mit dem Sieg in Le Mans als Höhepunkt war klar, dass das Hahn-Team im nächsten Jahr wieder ab den Start geht – auch wenn noch nicht alles in trockenen Tüchern ist. Und mit seinem zwangsläufig stark eingeschränkten diesjährigen Etat hat der einzige deutsche Pilot mit dem 4. Gesamtrang sogar exakt das gleiche Resultat erreicht wie im Vorjahr.
Überraschender Aufsteiger der Saison war sicherlich Markus Altenstrasser. Im letzten Jahr war der Österreicher kurzfristig für den ganz plötzlich ausgestiegenen Simeon Martin ins Renault-Team gestoßen und legte nun eine wirklich erfolgreiche Saison hin. So wurde er denn auch in Jarama als klarer Sieger des Sponsor-Challenge-Cups ausgezeichnet. Balazs Szobi, Zweiter im besagten Cup, wurde „Rookie of the Year“. Der Ungar hatte seine Rennerfahrungen bis dato hauptsächlich bei der „Dakar“ sammeln können. Doch hier im Truckracing sei alles viel schöner, mehr Stimmung, mehr Zuschauer und mehr Spaß – auch wenn es im Rennen selbst sehr viel härter zugehe, betonte das Team immer wieder. Für das nächste Jahr hat sich das Oxxo-Team noch sehr viel mehr vorgenommen, es wird wahrscheinlich mit dem aktuellen RaceTruck von Jochen Hahn an den Start gehen - der sich dann zwangsläufig einen neuen bauen muss.
Mit Mikhail „Mike“ Konovalov legte ein weiterer Neuling eine recht spektakuläre Saison auf die Rennpiste. Der überzeugte Zenit St. Petersburg-Fan aus dem Stall von Egon Allgäuer belegte im Sponsor-Cup den dritten Platz. Und nicht weniger spektakulär zieht Mikael Johansson seine Kurven über den Asphalt. Mit seinem hoffnungslos unterlegenen Scania-Hauber driftete er häufig schräg zur Fahrtrichtung durch die Kurven und avancierte damit nicht nur zum Liebling der Massen, sondern gerade auch der Kameraleute und Fotografen. So erhielt Johansson während der FIA-Feier auch einen Sonderpreis für die besten Drifts.
Und natürlich wäre ein Rennen in Jarama nichts ohne die vielen – vornehmlich spanischen –„Amateur“- und Privatfahrer im hinteren Drittel des Feldes, das aus immerhin 35 Piloten bestand. Sobald diese Piloten auftauchen geht ein lauter Jubel über die Tribünenränge. Die Fans hoffen einfach, ihre Idole zu waghalsigen, spektakulären Aktionen animieren zu können – häufig haben sie auch Erfolg.
Zu einer der großen Überraschungen in Jarama avancierte schließlich Jose Rodrigues. Der Portugiese nahm mit seinem Vater Eduardo zum ersten und einzigen Mal in diesem Jahr an einem FIA ETRC-Rennen teil. Mit völlig veraltetem Material fuhr er mehrmals in die Punkteränge – auch wenn er selbst als Race-by-Race-Pilot keine Punkte einfahren konnte. Regelmäßig dabei, mit entsprechendem Truck auf höherem technischen Niveau wäre er wohl ein echter Top-Five-Anwärter.