Dienstag, 19.03.2024 | Deutsch | English
Zwei-Klassen-System

Zwei-Klassen-System

20. April 2007Solche Situationen wie die obige – hier der Europameister beim Überrunden eines krassen Außenseiters – erleben die Toppiloten mehrfach pro Rennen. Obwohl die Rennen im Truckracing nur über 30 km und 45 km gehen, also 15 bis 22 Minuten, werden bei einigen Rennen die am Ende des Feldes fahrenden Trucks von der Spitzengruppe meistens zweimal überrundet. Der Leistungsunterschied ist einfach enorm. Beim letzten Rennen in Barcelona waren die Schnellsten über die Renndistanz mehr als 36 Prozent schneller als der Langsamste. Beschwerden, beim Überrunden behindert worden zu sein, gab es zwar nun von Niemandem, bestens in Erinnerung ist aber noch das Quali-Race vom Sonntag letztes Jahr in Albacete.
Markus Oestreich lag sicher in Führung mit Gerd Körber und Jochen Hahn im Schlepptau.
Da lief man in der letzten Runde mal wieder auf einen wesentlich langsameren Kollegen auf.
Natürlich gab’s die blauen Flaggen, doch der Pilot der zur Überrundung anstand, schien einfach überfordert. Das dann folgende Geschehen war natürlich auch keine Absicht, doch beim Überholversuch wurde Oestreich ins Kiesbett gedrängt, Körber und Hahn bremsten kurz ab, um dann über die Außenbahn an den beiden Kontrahenten vorbeizuziehen.
Die zwei Wertungspunkte, die Oese hier verlor, waren zweitrangig im Vergleich zum Verlust der Pole-Position für das anschließende Cup-Race. Da nutzte es dem Deutschen auch wenig, dass der langsame Kollege anschließend disqualifiziert worden ist.
So gab es denn auch nicht erst seit derzeit Diskussionen, ob es denn wirklich sinnvoll sei, solch extrem langsame Trucks überhaupt starten zu lassen. Andererseits möchte auch niemand von vornherein eine ganze Gruppe ausschließen, im Gegenteil. Lutz Bernau regte vor längerer Zeit gar einmal an, ob man denn nicht für die Piloten, die eigentlich kaum eine Chance hätten, mal in die Punkteränge zu fahren, eine eigene Wertung einführen könne. Schließlich begeistern gerade auch sie mit ihrer häufig unorthodoxen, dafür aber umso spektakuläreren Fahrweise immer wieder die Zuschauer, selbst wenn es dabei nur darum geht, nicht Letzter zu werden.
Aber auch dann wäre es überlegenswert, gewisse Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit von Truck und Piloten zu stellen, indem zum Rennen nur zugelassen wird, wer in den Trainingsläufen auch eine Mindestzeit – vielleicht Bestzeit plus 15 Prozent – erreicht.
Nicht gerade Risiko mindernd kommen ja auch noch extreme Qualitätsunterschiede beim Erwerb der einzelnen nationalen Fahrerlizenzen hinzu. Während manche nationale Motorsportbehörde einen Pilotenpass, der zur Teilnahme an einem internationalen FIA-Lauf berechtigt, erst dann ausstellt, wenn der Fahrer eine adäquate Ausbildung und Rennerfahrung aufweisen kann, reicht es anderweitig schon bei einem Wochenendkurs etwas Theorie zu pauken und mit einem Renntruck mal ein paar Runden gefahren zu sein, um eine zum Truckracing berechtigende Lizenz zu bekommen. Da kommen schnell mehrere Komponenten zusammen, die ein zusätzliches, nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential bilden.