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Der Sonntag in Le Mans

Der Sonntag in Le Mans

29. Oktober 2006Le Mans - Als die Truckracer am Morgen aus dem Fenster schauten, konnten sie es kaum glauben, der Himmel war zwar bedeckt, aber es herrschte nahezu freie Sicht. Wegen der Zeitumstellung lief eh alles eine Stunde später ab. Die Stunde mehr an Schlaf begrüßten nicht nur die insgesamt mehr als 46.000 Zuschauer, die noch lange nach dem obligatorischen Feuerwerk im Fahrerlager und auf den umliegenden Campingplätzen gefeiert hatten, sondern gerade auch die Mannen von Markus Bösiger freuten sich über jede Minute mehr Ruhe. Bis kurz vor Mitternacht waren die Schweizer damit beschäftigt gewesen, die Unfallfolgen aus dem Cup-Race zu beseitigen. Und offensichtlich hatte man gut gearbeitet, denn im Warm-Up fuhr Bösiger die drittbeste Zeit. Pünktlich zum entscheidenden Zeittraining begann es dann leicht zu regnen.
Die Piloten hatten es alle unheimlich eilig, ihre Bestzeiten auf die Piste zu legen, denn die Verhältnisse wurden immer schlechter. Schließlich holte sich Jochen Hahn die Pole vor Antonio Albacete und den beiden Eurolinern Niko Pulic und Markus Oestreich. Erst hinter David Vrsecky und Markus Bösiger folgte mit Gerd Körber der einzige Fahrer, der Albacete den Titel noch streitig machen könnte, erst auf dem siebten Startplatz. Letztendlich konnte nun nur noch ein Totalausfall den Spanier an seiner Titelverteidigung hindern.
Der Nieselregen hielt weiter an, wodurch Karambolagen auf der feuchten Piste noch wahrscheinlich erschienen. Der Start zum Quali-Race verlief dann allerdings völlig problemlos. Albacete verdrängte Hahn von der Spitze, der Schwabe folgte dem Spanier allerdings in Millimeter-Abstand. Als der Niederschlag dann stärker wurde, erwies Hahn sich als echter Rain-Man. Nahezu widerstandslos musste Albacete ihn ziehen lassen. Andererseits wusste der Spanier natürlich auch genau, dass ihm bei der gegenwärtigen Konstellation der Europameister-Titel nicht mehr zu nehmen war. Körber konnte sich im Laufe des Rennens noch hinter Pulic auf die vierte Position vorkämpfen, doch der Meisterschaftskampf war ja längst entschieden, und der Vizetitel dem Deutschen eh sicher.
Im Fahrerlager feierten dann anschließend die Crew von Lutz Bernau und das Cepsa-Team, alle mit riesigen roten Sonnenbrillen und roten Fliegen, ihren alten und neuen Europameister überschwänglich.
Obwohl nun alle Entscheidungen gefallen waren, hielt der Ehrgeiz der Truckracer auch im abschließenden Cup-Race weiter an. Auf der immer feuchteren Piste schoss Pulic quer durch die Dunlop-Schikane und dümpelte dann anschließend langsam in die Box. Hahn setzte sich derweil vom übrigen Feld ab und fuhr schließlich einem überlegenen Start-Ziel-Sieg entgegen. Albacete und Körber lieferten sich zur Freude der vollbesetzten Tribünen einen begeisternden Fight um den zweiten Platz. Immer wieder klopfte der Deutsche beim Spanier an, der Buggyra-Pilot schien einfach einen Tick schneller zu sein. Doch Albacete lag nun einmal vorn und parierte jede Attacke. Schließlich rettete der Europameister seinen zweiten Platz mit nicht einmal zwei Zehntel Sekunden Vorsprung ins Ziel. Knapp dahinter folgte Oestreich auf dem vierten Rang vor David Vrsecky, Adam Lacko und Markus Bösiger.
Mit dem letzten Rennen dieser Saison begann gleichzeitig der Ausblick auf das nächste Jahr. Das offizielle Mercedes-Statement vom Juni lautet immer noch, dass Truckracing im nächsten Jahr kein Thema mehr sei. Doch nach dem Verlauf der diesjährigen Meisterschaft, bei dem die Stuttgarter mit Hahn und Oestreich nicht nur zwei ernsthafte Titelaspiranten hatten, sondern auch gegen Ende der Saison immer wieder mit technischen Neuerungen aufwarteten, können sich Viele auch noch einen Stimmungswandel in der Konzernzentrale vorstellen. MAN wird sich wohl stärker engagieren als je zuvor bei den RaceTrucks, und eventuell mit Hans-Joachim Stuck einen neuen Truckracer präsentieren. Wenn sich die Vorstellungen von Heinz-Werner Lenz erfüllen, wird es im Hause Lenz wohl einen Generationenwechsel geben. Sohn Sascha soll im nächsten Jahr die komplette FIA-Serie fahren. In Le Mans musste sich Sascha zwar noch mit Platzierungen hinter seinem Vater zufrieden geben, markierte aber eine um mehr als eine Sekunde bessere Rundenbestzeit als sein „alter“ Herr.