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Der Samstag in Jarama

30. September 2006Jarama - Einem ausgesprochen ereignisarmen Freitag folgte ein aufregender und ein überaus stressiger Samstag. Für Jarama schon äußerst ungewöhnlich war der völlig Wolken verhangene Himmel am frühen Morgen. Die beiden Läufe zum Freien Training dominierte Niko Pulic mit seinem Mercedes-Axor in einer Weise, dass man erwarten konnte, dass der Kroate sich gegenüber dem Rennen in Zolder hier in Jarama erneut steigern würde. Dann stand das Zeittraining an und es begann zu regnen. Es war zwar kein heftiger Schauer, doch diese feinen, sich im Laufe des Zeittrainings gar noch verstärkenden Niederschläge reichten aus, die anfangs noch halbwegs trockene Piste mit einem solchem Nässefilm zu übersäen, dass die Piloten, die die ersten Runden nicht einigermaßen fehlerlos hinter sich gebracht hatten, in der Folgezeit keine Chance mehr besaßen, ihre Positionen zu verbessern.
So stammten denn auch sämtliche Bestzeiten aus der zweiten Runde, in der David Vrsecky mit seinem Freightliner zwar über 5 Sekunden langsamer war als Pulic im Freien Training aber eben auch gerade 73/1000 schneller als Markus Oestreich. So sicherte sich der Tscheche neben dem Mercedes-Piloten die Pole. In der zweiten Startreihe stand auf 3 mit Markus Bösiger der erste MAN-Pilot neben Vrsekys Teamkollegen Gerd Körber. Mit Jochen Hahn und Pulic folgten zwei weitere Mercedes-Fahrer, vor Adam Lacko (MAN), und erst vom achten Starplatz aus konnte Lokalmatador Antonio Albacete ins Rennen gehen. Die Crew von Lutz Bernau hatte schon einen aufregenden Morgen hinter sich, hatten sie doch in der knappen Zeit zwischen den beiden Freien Trainings das Getriebe an dem Cepsa-MAN zu wechseln.
Beim fliegenden Start musste Polesetter Vrsecky schon vor der ersten Kurve Oestreich und Körber an sich vorbeiziehen lassen, und im Laufe der ersten Runde jagte ihm Hahn auch noch die dritte Position ab. Als großer Gewinner ging Albacete aus dem Startscharmützel hervor, schoss er doch gleich vom achten auf den fünften Platz vor. Während sich das Spitzentrio leicht absetzen konnte und Oestreich einen kontrollierten Sieg vor Körber und Hahn nach Hause fuhr, feuerten die begeisterten Fans ihr Idol Albacete zu permanenten Angriffen auf Vrsecky an. Doch der Tscheche konterte jeden Angriff des Spaniers, bis der Motor seines Freightliners wenige hundert Meter vor der Zieldurchfahrt seinen Geist aufgab. Mit Mühe rettete sich Vrsecky als Zehnter ins Ziel. So rückte dann Albacete doch noch auf den vierten Platz vor, Bösiger fuhr auf der 5. Position ein und Pulic passierte vor Lacko, Frankie Vojtisek (Renault) und Jose Rodrigues (MAN) als Sechster die Ziellinie. Der Motorschaden an dem Freightliner erwies sich anschließend als so massiv, dass er bis zum Cup-Race nicht behoben werden konnte.
Dem Spanier dagegen blieb das Glück weiterhin hold. Im Parc-Fermé gab es anschließend die von Fabien Calvet in Nogaro erstmals praktizierte Prüfung, ob der Motor außer durch den Turbolufteinlass, der ja auf 65mm begrenzt ist, noch anderweitig Luft bekommt. Die drei Erstplatzierten wurden diesem Test unterworfen. Und während die Motoren des Mercedes von Oese und des Freightliners von Körber sofort ihre Tätigkeit einstellten, nachdem der Turboeinlass verschlossen worden war, tuckerte Hahns Truck stotternd weiter. Irgendwo schien wohl eine Schraubverbindung nicht ganz dicht zu sein. Sicherlich bedeutete Zusatzluft in dieser Menge für den Schwaben im Rennen keinerlei Vorteil, doch eine Disqualifikation war die schon zwangsläufige Folge. Dadurch rückten Albacete und all die hinter ihm platzierten Piloten ein weiteres Mal um eine Position nach vorn.
Im anschließenden Cup-Race sorgte nicht nur das Ende – die Siegerehrung – für reichlich Gesprächsstoff, sondern auch gerade der Start, der für den kleinen Eklat am Schluss schließlich die Ursache war. Oestreich hatte die Poleposition inne, Körber lag direkt neben ihm. Aus der zweiten Startreihe gingen Albacete und Bösiger ins Rennen. Oese und Körber waren sich sicher einen beinahe perfekten Start auf die Piste gezaubert zu haben. Dennoch schaffte es Albacete, noch vor dem Ende der Boxengasse mit seinem MAN vor den Trucks seiner beiden Kontrahenten zu liegen. Und von da an war das Rennen eigentlich gelaufen. Wegen Verschaltens am Berg fiel Oestreich dann sogar noch hinter Körber und Pulic auf die vierte Position zurück. Während der Freightliner-Pilot immer wieder Angriffe auf Albacete startete, verloren die beiden Mercedes-Trucks des Euroline-Teams etwas den Anschluss. Drei Runden vor Schluss konnte der Fuldaer dann doch wieder an seinem kroatischen Teamkollegen vorbeizuziehen und sich den dritten Podiumsplatz sichern. Unter dem ohrenbetäubenden Lärm der begeisterten Zuschauer, schaffte es Albacete, die bis auf den letzten Meter andauernden Attacken Körbers zu parieren, um dann als Sieger abgewinkt zu werden. Auf dem fünften Platz fuhr Bösiger ein, der zwar selten mehr als eine Sekunde Abstand zu den beiden Eurolinern hatte, aber wirklich ernsthafte Überholchancen hatte der Schweizer eigentlich nicht. Die weiteren Punkteränge belegten Lacko, Rodrigues, Vojtisek, Vincent Crozier (Renault) und Javier Mariezcurrena (MAN).
Ein famoses, aber unglückliches Rennen fuhr Jochen Hahn. Wegen der Disqualifikation im Quali-Race musste der Altensteiger vom letzten Starplatz aus ins Rennen gehen. Schon nach der zweiten Kurve war er an mehr als zehn Konkurrenten vorbeigeschossen, nach der ersten Runde waren es 15, nach der zweiten 19, und dann blieb Hahn zwei Runden hinter Vojtisek hängen. Als nächsten nahm sich der Schwabe Rodrigues zur Brust und lag nun schon auf dem siebten Platz. In der 8. Runde musste Hahn seinen Mercedes dann aber mit einem defekten Turbo abstellen, dem großen Angriff auf die Führungsposition von Albacete war damit erst einmal ein Ende gesetzt.
Mit dem Zieleinlauf war das Rennen zwar beendet, die Diskussionen hielten aber weiter an. Oestreich und Körber waren wohl einhellig der Meinung, Albacete habe sich nur durch einen klaren Frühstart an die Spitze setzen können, und dem pflichteten auch diverse Beobachter bei. Videoaufnahmen, die Aufklärung hätten bringen können, gab es leider nicht. Von der Onboard-Kamera Albacetes sollen wegen eines Defektes keine Bilder vorgelegen haben. Die Kamera an Oestreichs Truck hatte einen solchen Winkel erfasst, der nicht relevant war, und zwischen Körber und dem Spanier hing nun mal Oeses Mercedes, sodass auch dieses Video nichts zur Aufklärung beitragen konnte. Aufnahmen eines spanischen TV-Teams, das eigentlich den Start vom eigenen Standpunkt aus perfekt hätte eingefangen haben müssen, standen nicht zu Verfügung. Letztendlich gab es keine eindeutigen Beweise für einen Frühstart des Spaniers, und die FIA-Kommissare meinten ebenso wenig etwas von einem Frühstart bemerkt zu haben wie die örtlichen Stewarts. So blieb es schließlich bei weiteren zwanzig Punkten für Albacete auf dem Weg zur Titelverteidigung. Ihre Meinung zu dem Ganzen äußerten Oestreich und Körber schließlich stumm bei der Siegerehrung, indem sie Albacete allein den Sekt verspritzen ließen und kurz und bündig das Podium verließen.
Der Spanier hat nun 272 Punkte und damit 16 Zähler Vorsprung vor Körber. Nach seiner Nullrunde liegt Hahn (229) auf dem dritten Platz vor Oestreich (225), Vrsecky (188) und Bösiger (136).