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Der Samstag in Albacete

03. Juni 2006Albacete - Die Sonne brannte zwar vom wolkenlosen Himmel, doch der kräftige Wind brachte soviel Kühlung, dass sich an dem ansonsten recht ereignisarmen Freitag niemand animiert fühlte, die Wasserschlacht vom letzten Jahr wieder aufleben zu lassen. Stattdessen fanden sich am Abend sämtliche Piloten zu einem Gruppenbild auf der Zielgeraden zusammen. Letztendlich auch eine Demonstration der neuen Geschlossenheit in der FIA European Truck Racing Championship. Von den FIA-Piloten fehlte in Albacete Avelino da Silva Reis, da aber noch 6 Gaststarter gemeldet hatten, gingen insgesamt 29 Piloten an den Start.<br />
Am Samstag zogen immer mehr Wolken auf, sodass gar keine Gefahr bestand, wieder eine solche Glutofenhitze wie vom Vorjahr ertragen zu müssen. Wasser wäre also weniger zur Abkühlung als eher zum Besprenkeln der Piste nötig gewesen. Denn sobald die Trucks ein paar Runden absolviert hatten, war vor lauter Dreck und Staub kaum mehr etwas zu sehen.<br />
Im ersten Freien Training demonstrierten die Buggyra-Freightliner eine außerordentliche Überlegenheit. Renningenieur Mario Kress ging eigentlich auch davon aus dass, die hiesige Piste von der Charakteristik her seinen Trucks besonders liegen müsste. Trotz eines Getriebeproblems belegte denn auch David Vrsecky hinter Teamkollege Gerd Körber locker den zweiten Platz. Ross Garrett hatte auf das erste Freie Training verzichtet, der Foden-Pilot war gesundheitlich nicht auf der Höhe. In Misano hatte sich der Engländer beim Aufladen eines Differentials einen Muskelriss im Leistenbereich zugezogen, bis zum Samstagmorgen stand sein Start gar noch in Zweifel. Im zweiten Training zog auch Garrett seine Runden, an die Bestzeiten kam er allerdings nicht heran. Erneut absolvierte Körber die schnellste Runde, verbesserte sich gar um eine Zehntel, doch Antonio Albacete lag nun nur noch 4 Hundertstel hinter dem Rheinauer, und dann folgte mit Markus Bösiger schon ein weiterer MAN-Pilot. <br />
Die Einführungsrunde des Zeittrainings lechzte förmlich nach Sanktionen seitens Rennleitung. Trotz der ständigen Ermahnungen durch Race Director Tony Iddon, wurde an der Spitze wieder einmal so langsam gefahren, dass die Trucks am Ende des Feldes mehrfach zum Stand kamen. Zudem gab es nach dem Training äußerst heftige Diskussionen zwischen einzelnen Piloten, als man sich gegenseitig unterstellte, gerade auf den schnellsten Runden immer wieder behindert worden zu sein. Folgen irgendwelcher Art gab es allerdings nicht.<br />
Lange Zeit sah Antonio Albacete wie der sichere Polesetter aus, führte er doch gleich die Bestzeitenliste mit großem Vorsprung an. Doch in seiner letzten Runde nahm Mercedes-Pilot Markus Oestreich dem Spanier doch noch 38 Hundertstel ab und sicherte sich so den ersten Platz in der Startaufstellung. Auch Gerd Körber rückte dem Cepsa-MAN ebenfalls in der letzten Runde noch gehörig auf den Pelz, musste sich allerdings mit dem dritten Startplatz zufrieden geben. Mit ihm zusammen in einer Reihe stand mit Jochen Hahn ein weiterer Mercedes-Fahrer vor dem dritten Stern-Piloten Niko Pulic. Hinter David Vrsecky kam Markus Bösiger auf Rang 7. Dem Schweizer schien das Pech treu zu bleiben, platzte ihm doch der Turboschlauch. Ohne dieses Missgeschick, meinten die Experten, wäre er mindestens auf dem 4. Startplatz eingefahren.<br />
Das anschließende Quali-Race begann beim fliegenden Start mit einem weiteren Missgeschick, aber diesmal seitens der Rennleitung: die Ampel zeigte erst gar kein Rot, sondern blieb einfach dunkel. Völlig irritiert standen die ihren Piloten per Funk das Startsignal gebenden Teammitglieder an der Strecke und wussten nicht, was sie machen sollten. Die Piloten nahmen dann das Heft selbst in die Hand und starteten einfach durch. Sofort begannen die Diskussionen, hätte das Rennen nicht direkt abgebrochen werden müssen, zumal Frank Conti mit seinem Volvo schon in der ersten Runde an äußerst prekären Stelle im Kies hängen geblieben war. Die Rennleitung ließ weiterfahren und Markus Oestreich fuhr einem eindrucksvollen Start-Ziel-Sieg entgegen. Immer wieder setzte Albacete unter den lauten Anfeuerungsrufen seiner Landsleute zum Angriff an. Auch wenn Oeses Vorsprung im Ziel gerade mal 3 Zehntel betrug, hatte man nie den Eindruck, dass sein Sieg tatsächlich gefährdet sein könnte. Schließlich musste Albacete sich noch nach Hinten vergewissern, dass Gerd Körber nicht das Spielchen: Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte, praktizieren würde. Denn der Rheinauer lag die ganze Zeit in Wartestellung, ob die beiden Kampfhähne an der Spitze sich nicht doch noch gegenseitig behindern würden. Aber auch der Buggyra-Pilot selbst stand wiederum gehörig unter Druck, denn der Vierte im Führungsqartett, Jochen Hahn, lag selten mehr als eineinhalb Sekunden hinter dem Spitzenreiter Oese. Solch einen engen Rennausgang hat es schon lange nicht mehr gegeben, schließlich hatte auch der fünftplatzierte David Vrsecky mal gerade 2 Sekunden Rückstand auf den Sieger. Den 6. Rang dagegen fuhr Niko Pulic mit seinem Mercedes beinahe in einer Art Alleingang ein, doch um die Positionen dahinter wurde wieder bis zum letzten Meter hart gefochten. Erst in der letzten Runde schaffte es Markus Bösiger in einer lang gezogenen Linkskurve über die Außenbahn an dem roten Renault von Frankie Vojtisek vorbeizuziehen. Da allein in der letzten drittel Runde der Schweizer den Tschechen noch um mehr als 2 Sekunden distanzieren konnte, lässt sich nur erahnen, um wie viel schneller der Bösiger-MAN hätte sein können, wäre das Überholmanöver schon eher geglückt. <br />
Auch das abschließende Cup-Race war genauso begeisternd wie das Quali-Rennen, obwohl es zwischenzeitlich schon mal so aussah, als sei das Rennen bereits nach dem ersten Drittel entschieden. Die Ampel funktionierte diesmal, Lokalmatador Albacete zog direkt mit Polesetter Oestreich gleich. Ausgangs der ersten Rechtskurve kam der Cepsa-MAN offenbar wesentlich schneller auf Touren, und plötzlich lag Albacete gar knapp vor Oese. Die nächste prekäre Stelle einige hundert Meter weiter war jedoch eine 180 Grad Rechtskehre. Der Deutsche hatte innen die wesentlich bessere Position. Die beiden Trucks berührten sich am Heck, der Spanier geriet ins Kiesbett, während der Mercedes-Pilot nach einigen Schwenkern weiter ziehen konnte. Dabei musste er sich allerdings schon der ersten Angriffe seines Markenkollegen Hahn erwehren. Auf etwa gleicher Höhe lagen die beiden Freightliner von Körber und Vrsecky, und dann folgte schon Pulic auf dem dritten Mercedes. Erst dahinter hatte Albacete sich wieder einreihen können. In einer furiosen Aufholjagd wollte der Spanier dann zwar wieder nach vorn stoßen, doch letztendlich schaffte er es während der restlichen zwölf Runden, nur noch an Pulic und Vrsecky vorbeizuziehen. Oestreich schien sich zwischenzeitlich etwas von seinen Verfolgern abzusetzen, doch wirklich lösen konnte er sich von seinen beiden Landsleuten nie. Gegen Ende kamen Hahn und Körber mit Albacete im Schlepptau gar wieder etwas auf, sodass die vier Erstplatzierten beim Zieleinlauf gerade noch 1,3 Sekunden auseinander lagen.<br />
Auf den Positionen 5 und 6 lagen relativ unbedrängt Vrsecky und Pulic, doch um den siebten Rang entbrannte erneut ein mindestens ebenso so hart ausgefochtener Fight wie um den Sieg. Bösiger hatte beim Start schon einige Plätze verloren, und Vojtisek hatte nun statt des Schweizers den 7. Rang inne, gefolgt von den beiden MAN-Piloten Jose Rodrigues und Adam Lacko, dann folgte Bösiger. Acht Runden hing der Schweizer hinter dem jungen Tschechen, erst dann konnte er am gelben MAN vorbeiziehen. Anschließend klebte Bösiger Rodrigues Junior beinahe am Heck, doch am Portugiesen vorbeizuziehen, schaffte er dann doch nicht mehr. Rekonvaleszent Ross Garrett setzte nach Bösiger zum Angriff auf Lacko an, schließlich ging es mit Platz 10 um den letzten Punkterang. Drei Runden leistete der Tscheche erbitterten Widerstand, dann aber passierte der Engländer schließlich den gelben MAN, der seinen Foden in Misano noch so folgenreich von der Piste geschossen hatte.<br />
In der Gesamtwertung behauptet Albacete weiterhin die Führung mit 126 Punkten, Hahn konnte den Abstand leicht verkürzen und hat nun 102 Zähler. Auf Rang 3 folgt Körber mit 99 Punkten.