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Der Sonntag in Le Mans

26. Oktober 2003Le Mans - Die Nacht zum Sonntag war nahezu genauso kalt wie die vorherige, gottlob stiegen aber am frühen Morgen nicht wieder diese Nebelschwaden auf, sodass pünktlich mit den Warm-Ups begonnen werden konnte, und die insgesamt fast 30.000 Zuschauer auch tatsächlich etwas zu sehen bekamen. <br />
Die wegen der Winterzeitumstellung zusätzliche Stunde konnten manche im Fahrerlager gut gebrauchen. Beim Team Bernau war ausgiebig gefeiert worden, und viele hatten es dort auch sehr lange ausgehalten. Der Champion selbst war übrigens mit der kompletten MAN-Mannschaft intensiv damit beschäftigt gewesen, den Truck, der ihm zwei Jahre zuvor die Meisterschaft eingebracht hatte, wieder fahrtüchtig zu bekommen. Jose Rodrigues, der den Renner in dieser Saison pilotiert, hatte sich nämlich einen Kolbenfresser eingefangen, und Lutz Bernau überließ ihm nun seinen Ersatzmotor. Denn dem Uttinger konnte ja nichts mehr passieren. Viel Glück brachte dem jungen Portugiesen der ganze Aufwand aber dennoch nicht, musste er doch schon in der Anfangsphase des Qualifyings wegen eines weiteren Motorschadens seinen Truck wieder in der Box abstellen. Durch diese Nullrunde in Le Mans verlor er dann auch noch seinen sicher geglaubten vierten Rang im letzten Moment an Ross Garrett.<br />
Wer vom neuen Meister und den restlichen Piloten nun gedacht hatte, man würde den Tag ruhig angehen lassen, sah sich sehr schnell angenehm enttäuscht. Es wurde um sämtliche Plätze kräftig gefightet. Stuart Oliver, der Fahrer mit dem eindeutig schnellsten Racetruck des Wochenendes, holte sich überlegen beide Siege. Aber auch das konnte den Fauxpas des Vortages nicht mehr wettmachen, der Vizetitel war Egon Allgäuer nicht mehr zu nehmen. Nicht umsonst bedankte sich der Österreicher bei der abendlichen FIA-Ehrung noch einmal ausdrücklich bei seinem britischen Kontrahenten für das &quot;Geschenk&quot; vom Vortag. Ob diese &quot;großzügige&quot; Geste des Atkins-Piloten auch einen der Streckensprecher dazu animierte, Stuart Olivier, dessen Vorname in den Fahrerlisten mit &quot;St.&quot; abgekürzt war, als Sankt Oliver anzukündigen, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Der zweite Sprecher jedenfalls, Ex-Pilot Fabien Calvet, wusste zumindest immer, von wem und mit wem er sprach.<br />
Hinter dem Engländer erreichte Mercedes-Pilot Jochen Hahn im Quali-Race Platz zwei vor Lutz Bernau. Im Cup-Race reichte es für den jungen Schwaben dann allerdings wegen offensichtlicher Motorprobleme nur noch zum fünften Platz hinter den MAN-Piloten Oliver, Bernau, Allgäuer und Silva. <br />
Bei den Supertrucks fiel die Entscheidung erst im allerletzten Rennen. Eine Chance noch kurz vor Schluss Gerd Körber den Titel entreißen zu können, gab es für Markus Oestreich eigentlich nur dann, wenn der Titelverteidiger ausfallen würde. Aber gerade das war ja auch im letzten Jahr beim Finale am Lausitzring dem eigentlich sicheren Champion, Harri Luostarinen, wenige Runden vor Schluss passiert. Entsprechend nervös war der Rheinauer und mit ihm das ganze Buggyra-Team. Doch Oestreich konnte sein Pole nicht nutzen und musste schon beim Start nicht nur den Titelverteidiger, sondern auch noch die beiden anderen Buggyras mit David Vrsecky und Antonio Albacete ziehen lassen. In einer fulminanten Aufholjagd schaffte es Oese aber tatsächlich, sich an die Spitze zu setzen, fiel durch einen Fahrfehler dann allerdings wieder weit zurück. Schließlich beendete der Deutsche Post-PAM-Pilot das Rennen auf Platz 3 hinter Körber, der möglichst jedes Risiko vermied und den Sieg dem vom letzten Platz aus gestartete Albacete überließ. <br />
Adam Lacko schien dagegen keiner Herausforderung aus dem Weg gehen zu wollen. Knapp vor dem überraschend starken DAF-Piloten Jean-Pierre Stalder kämpfte er mit Harri Luostarinen um Platz 5. In der letzten Kurve vor dem Zieleinlauf - einer fast 180 Grad-Kehre - versuchte der junge Tscheche außen am Finnen vorbeizugehen, war aber viel zu früh wieder auf dem Gas, kam ins Schleudern und drückte dabei Luostarinens PAM beinahe in die Boxenmauer. Die Konfusion nutzte Stalder, um noch an den beiden Kontrahenten vorbeizuziehen. Luostarinen musste erst einmal zurücksetzen, Lackos Tatra hatte sich gar um 180 Grad gedreht und stand nun rückwärts Richtung Ziellinie. Reflexartig legte der Tscheche den Rückwärtsgang ein und passierte dann noch zur Begeisterung der Fans auf den Tribünen mit dem Heck zuerst und vollem Speed vor dem Finnen den Mann mit der karierten Flagge.<br />
Das Duell zwischen Körber und Oestreich war allerdings immer noch nicht entschieden. Nun trennten sie 15 Punkte, zwanzig gab es für den Sieg im Cup-Race. Sollte Oese nun tatsächlich gewinnen, musste der Titelverteidiger also mindestens Sechster werden, einen Ausfall konnte er sich keineswegs erlauben. Doch gerade mit seinem Turbolader hatte Gerd Körber schon die unangenehmsten Erfahrungen machen müssen, zuletzt erst beim Zeittraining am Tag zuvor. Entsprechend nervös zog der Buggyra-Pilot während der Mittagszeit durchs Fahrerlager, offensichtlich dankbar für jede Ablenkung von diesen Gedankengängen. Markus Oestreich schien die Ruhe selbst, schließlich hatte er ja auch nichts mehr zu verlieren, der Herausforderer konnte nur noch gewinnen. Von Körber dagegen erwartete jetzt jedermann den Titel.<br />
Hochmotiviert übernahm der Rheinauer denn auch gleich nach dem Start die Spitze, Oese klemmte sich dahinter. Ständig setzte er den Titelverteidiger unter Druck, vielleicht noch heimlich hoffend, dass der Buggyra schlapp machen würde. Dann hätte der Fuldaer zwangsläufig die Spitze im Rennen und auch im Championat übernommen. Doch der tschechische Truck hielt bestens durch, und das Buggyra-Team feierte überschwenglich den Zieleinlauf und damit auch die Titelverteidigung. Auf Platz 3 im Rennen und der Gesamtwertung kam mit David Vrsecky ein weiterer Buggyra-Pilot.