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Der Sonntag am Nürburgring

20. Juli 2003Nürburg - Insgesamt waren für alle Tage knappe 160.000 Zuschauer gezählt worden, sicherlich eine stolze Zahl, aber trotz besten Wetters dennoch erheblich weniger als in den Jahren zuvor. Auch die Präsentationen der Industrie und Wirtschaft waren um einige Nuancen bescheidener ausgefallen. Dort wo früher Prachtzelte mit mehreren Etagen gestanden hatten, gab man sich jetzt mit einem ebenerdigen Domizil zufrieden. Manche Großsponsoren früherer Jahre waren völlig verschwunden. Den normalen Truckracingfan wird das wenig gestört haben, er war an spannenden Rennen interessiert, und die gab es reichlich.<br />
Zu einer für diejenigen Zuschauer, die den langen Konzert- und Feuerwerkabend am Samstag ausgiebig genossen hatten, mörderischen Zeit absolvierten die Truckracer schon ihr Warm-Up. Egon Allgäuer schien bei den Racetrucks immer noch nicht den richtigen Dreh gefunden zu haben, musste er sich doch hinter Lutz Bernau, Stuart Oliver und Noel Crozier vorerst mit Rang Vier zufrieden geben. Noch frustrierender war es wohl für Gerd Körber im Warm-Up der Superracetrucks ebenfalls auf Vier, verfehlte er doch die Zeiten seines härtesten Konkurrenten Markus Oestreich und auch seine eigenen Spitzenzeiten vom Vortag um gut eineinhalb Sekunden. <br />
Im Quali-Race der SRT nutzten Antonio Albacete und David Vrsecky die Gunst der ersten Startreihe, um gleich in Führung zu gehen. Gerd und Markus lieferten sich in jeder Kurve harte Duelle um den dritten Platz. Etwa ab der vierten Runde konnte der Buggyra-Pilot sein Augenmerk mehr nach vorn richten und schickte sich an, seinem Teamkollegen Vrsecky die zweite Position streitig zu machen. Doch durch einen Fahrfehler wenige Runden später fiel der Rheinauer wieder leicht zurück und musste sich erneut der Angriffe des Deutsche Post-Piloten Oestreich erwehren, um seine dritten Rang halten zu können. Da auch der zweitplatzierte Vrsecky in der Schlussphase noch ins Gras fuhr, konnte der führende Spanier ziemlich ungefährdet seinen Sieg nach Hause bringen. Für seine Fans sicher erneut enttäuschend der große Abstand des Vizeeuropameisters Harri Luostarinen auf Platz 6 hinter Adam Lacko.<br />
Auch beim Cup-Race sah Antonio Albacete zunächst wie der sichere Start-Gewinner aus. Doch schon in der ersten Kurve bei der Einfahrt in die Mercedes-Arena ging David Vrsecky innen an ihm vorbei. Dahinter kam es zu dramatischen Szenen. Oestreich und Körber gerieten hart aneinander, beide Renner lagen leicht quer, der Buggyra kam weit nach Außen und raste auf dem Gras die leichte Anhöhe hinauf. In der folgenden Linkskurve wieder dieses harte Anschlagen der beiden Trucks. In der scharfen 90 Grad Kurve nach der leichten Abfahrt sah es dann so aus, als würden die beiden Deutschen sich gegenseitig abschießen wollen. Spätestens diese Aktion veranlasste die Rennkommission, Verwarnungen gegen Nr.1 (Körber) und Nr.9 (Oestreich) auszusprechen. Danach ging es etwas gesitteter zu. Der silberne Buggyra versuchte nun Druck auf den roten auszuüben. Mehrfach bremste Körber sich mit stehenden Rädern in die Kurven hinein, um seinen spanischen Markenkollegen vielleicht doch zu einem Fehler veranlassen zu können. Rundenlang lagen die beiden Buggyras nur Zentimeter auseinander. Nach etwa einem Drittel des Rennens bremste der Deutsche den Spanier eingangs der Mercedes-Arena ganz scharf aus. Während Gerd gleich zur Verfolgung von David Vrsecky ansetzte, musste Albacete sich nun der Angriffe Oestreichs erwehren. Der lange Fuldaer setzte den kleinen Spanier so sehr unter Druck, dass dieser mehrmals abseits der Piste landete. Dennoch reichte es für den Deutsche Post PAM-Truck nicht am roten Buggyra vorbeizuziehen. Zwischenzeitlich hatte Körber zu Vrsecky aufgeschlossen und setzte zu permanenten Angriffen an. Wer nun mit einer Stallregie zu Gunsten des Titelverteidigers gerechnet hatte, sah sich schnellstens eines Besseren belehrt. Hart aber fair bekämpften sich die beiden Teamkollegen. Immer wieder schob der Deutsche den jungen Tschechen vor sich her. Dieser ließ sich aber keinen Grad von seiner Ideallinie abbringen. Obwohl Körber den eindeutig schnelleren Eindruck machte, schafft er es bis zum Zieleinlauf nicht mehr, an Vrsecky vorbeizuziehen.<br />
Zwar hatte der Rheinauer kein Rennen gewonnen, übernahm aber dennoch wieder die Führung in der EM-Gesamtwertung vor Markus Oestreich. <br />
Bei den Racetrucks absolvierten einige Fahrer durch die zusätzliche Teilnahme am Mittelrhein-Cup ein doppeltes Programm und bescherten ihren Mechanikern viel Arbeit. Nach seinem Sieg vom Vortag war Polesetter Egon Allgäuer auch der große Favorit für das Sonntagsrennen. Zunächst verlief alles planmäßig, der Europameister lag sicher in Führung. Doch in der dritten Runde verpasste er eingangs der Mercedes-Arena total den Bremspunkt und wurde unter dem schadenfrohen Gejohle der Zuschauer auf T 4 und der Mercedes-Tribüne weit hinausgetragen. Erst im hinteren Feld konnte sich der Österreicher wieder eingliedern. Die Führung übernahm Jean-Loup Fournier und fuhr ziemlich ungefährdet einem sicheren Sieg entgegen. Die Dramatik spielte sich nun auf den Plätzen ab. Nach seinem Patzer mischte Allgäuer mit Rundenbestzeiten, die ein bis zwei Sekunden schneller waren als die der restlichen Spitzenfahrer, das Feld von hinten auf. Um die zweite Position gab es ein erbittertes Duell zwischen Ross Garrett und Heinz-Werner Lenz, das der Plaidter mit einem riskanten Überholmanöver schließlich für sich entschied. Doch da war ja noch Egon Allgäuer. Nachdem er an den etwas schwächeren Piloten aus Frankreich und England, die sich vornehmlich um gute Platzierung innerhalb ihrer nationalen Meisterschaft bemühten, beinahe vorbeigeflogen war, traf er bei Ross Garrett auf ernsthaften Widerstand. Der Foden mit dem bärenstarken CAT-Motor war nicht so einfach zu bezwingen. Rundenlang setzte der Österreicher den Engländer unter Druck, dessen Fahrfehler sich dadurch häuften. Trotzdem kam der MAN nicht vorbei. Schließlich bremste Garrett in der NGK-Schikane extrem spät, kam knapp an den Hindernissen vorbei. Allgäuer schaffte es nicht mehr und musste den &quot;Notausgang für die Motorradfahrer&quot; nehmen. Vor dem Foden scherte er wieder ein und traf nun auf einen seiner härtesten Widersacher aus den EM-Läufen der vorherigen Jahre, Heinz-Werner Lenz. Wie schon damals schenkten sich die beiden nichts. Letztendlich konnte der Lokalmatador zum Leidwesen seiner zahlreichen Fans mit seinem 700 PS-Mercedes-Hauber den 1000 PS-MAN doch nicht in Schach halten. In der letzten Runde genügte ein kleiner Fahrfehler in der Passage der Kurzanbindung, und Allgäuer zog vorbei. Die böse Überraschung folgte bei der Siegerehrung. Wegen des umstrittenen Manövers in der Schikane mit Ross Garrett wurde der Österreicher mit einer 10-Sekundenstrafe belegt, und fiel so hinter dem überlegenen Sieger Fournier und Lenz auf Rang Drei zurück.<br />
Die dramatischsten Rennen lieferten wieder einmal die seriennäheren Racetrucks in den EM-Läufen. Im Sonntags-Quali erwischte Egon Allgäuer einen Superstart und setzte sich gleich vor Lutz Bernau. Schon in der ersten Kurve gab es wieder haarsträubende Szenen, Dreher von Rodrigues Junior, Kollisionen von Heinz-Werner Lenz und Serafim Silva. Allgäuer, Bernau, Noel Crozier und Stuart Oliver setzten sich ab. Doch bereits in der dritten Runde erwischte es den Engländer vom Atkins-Racing-Team bei der Ausfahrt aus der Schikane, sein Motor barst auseinander. Weit oben in der Coca-Cola-Kurve weit außerhalb des Gefahrenbereichs stellte Oliver seinen MAN ab, das Rennen konnte problemlos weitergehen. Crozier, der in diesem Jahr nicht zur EM gemeldet hatte, startete nun seine Angriffe auf Bernau, dieser hielt voll dagegen. Dahinter beharkten sich einmal mehr die derzeit beiden einzigen Mercedes-Piloten Jochen Hahn und Heinz-Werner Lenz. Nach seinem Anfangsdreher schloss der Shooting-Star der Saison, Jose Rodrigues, stark auf. In der siebten Runde kam Lenz von der Strecke ab, für ihn war das Rennen gelaufen. Hahn hielt den jungen Portugiesen auf Distanz, Bernau löste sich von Crozier und setzte nun an, die Spitze zu übernehmen. Und tatsächlich auf den letzten Metern vor dem Ziel schoss der Bayer noch an Allgäuer vorbei und sicherte sich den Sieg. <br />
Aber all dies war nichts gegen das, was sich im Cup-Race abspielen sollte. Das Atkins-Team hatte unter tatkräftiger Mitwirkung der Jungens von MAN eine Meisterleistung vollbracht und in weniger als zwei Stunden einen kompletten Motorwechsel vorgenommen. Stuart Oliver startete vom letzten, den 21. Startplatz aus. Schon während des vorherigen letzten Rennens der Superracetrucks waren dichte Wolken aufgezogen und einzelne Tropfen gefallen. Pünktlich zum Start des Cuprennens der Race-Trucks fing es richtig an zu regnen. In kürzester Zeit verwandelte sich die mit Gummiabrieb und viel Staub verdreckte Strecke in eine gefährliche Rutschbahn. Die Streckenmarshalls bewegten sich wie auf Eis. Erstmals in diesem Jahr, in dem die Racetrucks ja bekanntlich nicht mehr ihre speziellen Rennreifen fahren dürfen, sondern nur noch Serienpneus erlaubt sind, stand nun ein Rennen auf nasser Piste an. Niemand hatte also Erfahrung, wie die Reifen sich unter diesen Bedingungen verhalten würden. In der Hoffnung auf Wetterbesserung entschloss sich die Rennleitung, zwei Einführungsrunden hinter dem Pace-Car zurücklegen zu lassen, um die Strecke dadurch auch etwas zu säubern. Danach ging es wieder in die Startaufstellung. Da fing es dann noch einmal richtig an zu plästern. So legte man nun fest, nach einer erneuten Einführungsrunde den Start freizugeben, um dann pünktlich um 18:00 nach etwa 20 Minuten Fahrzeit das Rennen unabhängig von der Rundenzahl abzuwinken. <br />
Nach dem fliegenden Start endeten die Bremsversuche eingangs der Mercedes-Arena im Fiasko. Allgäuer schoss als Erster einfach geradeaus, der Mercedes von Hahn hinterher. Crashs waren unvermeidbar. Schließlich sah kaum mehr ein Truck so aus, wie vor dem Start. Der MAN von Serafim Silva machte eher den Eindruck eines Schrotthaufens. Allgäuer reihte sich selbst wieder ins Geschehen ein, Hahns und Silvas Trucks wurden unter gelber Flagge aus dem Gefahrenbereich gezogen. Jochen nahm sogar das Rennen wieder auf, nachdem das Feld bereits mehrfach an ihm vorbeigezogen. Anschließend fuhr er ein grandioses Rennen und passierte einen Konkurrenten nach dem anderen, doch sein Rundenrückstand war einfach zu groß. An die Spitze hatte sich Noel Crozier gesetzt, hart verfolgt von Frankie Vojtisek, die beide dem Anfangschaos unbeschadet entkommen waren. Im Feld gab es ständig Dreher und Ausflüge ins Kiesbett oder ins Gras. Die Reihenfolge wurde immer wieder durcheinander gewirbelt. Einzig die beiden Spitzenreiter, Ross Garrett und der vom letzten Platz aus gestartete Stuart Oliver kamen halbwegs unbeschadet durch. Der Atkins-Pilot fuhr eines seiner besten Rennen, zog unbeirrt seine Runden und erfuhr sich Platz Drei. Die harte Arbeit seines Teams und der MAN-Truppe hatte sich wirklich gelohnt. Zwischenzeitlich hatte Regenspezialist Vojtisek mit seinem hoffnungslos untermotorisierten Renault die Führung von Crozier übernommen und gab sie nicht mehr ab. Überhaupt war dies auch ein Rennen der sonst Unterprivilegierten. So hatte denn nach 9 Runden selbst ein Fahrer wie Erwin Klein-Nagelvoort mit seinem Uralt-Scania auf die Spitzenpiloten wie Lutz Bernau und Egon Allgäuer, die ihn sonst in solch einem Rennen häufig mehrfach überrunden, gerade mal etwas mehr als eine Minute Rückstand.<br />
Trotz des schlechten Abschneidens im letzten Rennen konnte Lutz Bernau seine Führung in der EM-Gesamtwertung sogar noch ausbauen. Schließlich hatten seine beiden ärgsten Konkurrenten, Allgäuer und Oliver mit seinem Totalausfall im zweiten Quali-Race, noch mehr Federn lassen müssen.