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Der Sonntag in Misano

25. Mai 2003Misano - Das weiter die Gemüter erhitzende Thema des Sonntags war das Speedkontollsytem per GPS der französischen Firma ERTF. Nahezu einmütig unterstützten die Fahrer der Racetrucks die von den Spitzenpiloten und deren Teammanagern initiierten Maßnahmen, damit die FIA und der Rennveranstalter endlich dafür sorgten, an besonders eklatanten Stellen Radarmessgeräte zur Kontrolle des 160 Km/h Speedlimits zu installieren. Lutz Bernau hatte den Kollegen am Abend zuvor noch einmal verdeutlicht, wie gefährlich gerade auch in Misano es werden könnte, wenn das Fahrerfeld in der Gewissheit, keinerlei Speedlimit mehr einhalten zu müssen, das Geschwindigkeitspotential der Racetrucks voll ausschöpfen würde. Ein Crash am Ende einer der langen Geraden bei einem Tempo von weit mehr als den erlaubten 160 Km/h, würde die Trucks über die Auslaufzonen hinausschleudern, und 5 Tonnen Stahl und Eisen würden die niedrigen, einfachen Sicherheitsbegrenzungen einfach niedermähen. Wie abstrus die ERTF-Messungen waren, ließ sich leicht mit dem Messergebnis von Daniel Seiler belegen, bei dem eine Geschwindigkeit weit jenseits der 1.500 !!! Km/h-Marke gemessen worden war. Von den Drohgebärden der Rennorganisatoren ließen sich die Fahrer keineswegs beeindrucken, wussten sie doch das FIA-Regelwerk eindeutig auf ihrer Seite. <br />
Diese Probleme betrafen allein die Racetruckklasse, da hier nur wenige Fahrzeuge mit dem Telemetriesystem - wie es bei den Superracetrucks üblich ist - ausgestattet sind. Gegen 23.00 Uhr am Samstagabend war dann endlich die Zusage der Race-Organisation eingegangen, die Forderungen der Fahrer zu erfüllen. Beim morgendlichen Warm-Up drehten aber dennoch nur drei Piloten wenige Runden, um Set-Up-Änderungen testen zu können. Denn außer den Zusagen vom Vorabend hatte sich nichts weiter getan. Zum Qualifikationstraining startete dann aber endlich das komplette Feld, und die alte Hierarchie war wieder hergestellt. Lutz Bernau und Egon Allgäuer in der ersten Startreihe des Quali-Race, Oliver Stuart und Daniel Seiler, der ein ausgesprochen gutes Wochenende absolvierte, lagen eine Reihe dahinter. Nach dem fliegenden Start schossen die vier auf die erste Kurve zu. Bernau lag innen und nutzte die bessere Fahrspur, um sich leicht von seinem Kontrahenten Allgäuer zu lösen. Die lange Gegengeraden raste man mit Höchsttempo entlang, bis es beim Anbremsen zur langgezogenen 180-Grad-Kehre &quot;Tramonto&quot; immer wieder zu brenzligen Situationen kam. Rundenlang lieferten sich die beiden MAN-Piloten ein erbittertes Gefecht, der Deutsche vorn weg, der Österreicher knapp dahinter. Auf Rang drei hatte sich Oliver zwischenzeitlich etabliert, ohne wirkliche Aussicht, noch in den Kampf um die Spitze mit eingreifen zu können. Vielmehr musste er sich nach hinten orientieren, wo Seiler beim Verfolgerduell gegen die hart fightenden Jochen Hahn und Jose Rodriguez den kürzeren gezogen hatte. Der junge Portugiese kam mächtig auf und setzte den Atkins-Piloten noch stark unter Druck. Vorn lieferten sich der blaue und der gelbe MAN zur Freude der begeisterten Zuschauer weiterhin ein hartes Gefecht. Als Bernau dann die Einfahrt zur Gegengeraden nicht ganz optimal erwischte, nutzte Egon gleich die Chance und setzte sich links neben seinen Kontrahenten. Bei der Einfahrt zur &quot;Tramonto&quot; hatte der Titelverteidiger die günstigere Position und zog am Bayern vorbei. Bis zur Schlussrunde hielt dieses spannende Duell an. Nun startete Lutz seinerseits genau dort, wo er einige Runden zuvor noch passiert worden war, ein Überholmanöver. Egon hielt voll dagegen, die Trucks waren von Kampfspuren gezeichnet. Der Uttinger lag auf der günstigeren Innenposition und hatte sich einen minimalen Vorsprung erkämpft. Gemeinsam kamen die beiden MAN auf die &quot;Quercia&quot;, der schärfsten Kurve des Circuits, zugeschossen. Hier hatte nun Allgäuer die Innenbahn und durfte diesen Vorteil auch nicht verlieren. Wäre Bernau vor ihm in die Kurve eingeschert, hätte der Östereicher auf den letzten Metern keinerlei Chance mehr gehabt, wieder an dem Deutschen vorbeizuziehen. So blieb der Pilot des gelben Pewag-MAN auch sehr viel länger als sonst auf dem Gas, schaffte es dann nicht mehr das Tempo ausreichend abzubremsen und schoss immer weiter nach Außen. Dabei krachte er voll in den blauen MAN, drückte diesen zunächst aufs Gras, dann ins Kiesbett und zum Schluss gegen die Bande. Lutz saß fest, Egon humpelte die letzten Meter auf der Felge ins Ziel. Nachdem beinahe das ganze Feld vorbeigezogen war, hatte Bernau sich aus dem Kiesbett befreit und erreichte mehr als eine halbe Minute später das Ziel. Auf Rang zwei und drei waren Oliver und J.Rodrigues eingefahren. Das Rennen war damit aber noch längst nicht abgeschlossen, jetzt begannen die Diskussionen am grünen Tisch. Letztendlich wurde Egon Allgäuer mit der doch recht ungewöhnlichen Zeitstrafe von 33 Sekunden belegt, die ihn noch knapp hinter Lutz Bernau auf Platz neun verbannte. Der Brite Stuart Oliver errang so seinen ersten EM-Sieg.<br />
Aus der Pole zum Cup-Race startend ließ der Nachfolger von Terry Rymer bei Atkins-Racing, die Chance auch noch gleich einen Cup-Sieg zu landen, sich natürlich nicht entgehen. Zumal die eigentlich stärksten Konkurrenten im Feld ja erst weit hinter ihm ins Rennen geschickt wurden. Dennoch sehnte Technik-Chef Stefan Honens das Ende herbei, hatte der Castrol-MAN doch schon während des ganzen Wochenendes mit hohen Wassertemperaturen kämpfen müssen. Bei einer Kiesbettdurchfahrt bereits am Samstagmorgen war der Kühler arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Während Stuart vornweg einem ungefährdeten Sieg entgegenfuhr, spielten sich weit hinter ihm wieder dramatische Szenen ab. Bereits in der ersten Kurve nach dem Start kamen sich die beiden Kampfhähne des Quali-Rennens sehr nahe, in der zweiten Kurve flog Bernau nach einem leichten Crash dann hinaus. Mehrmals umrundete das Feld ohne den Uttinger den Kurs, bis der blaue MAN dann doch wieder zu sehen war. Zwischenzeitlich hatte Allgäuer zu einer fulminanten Verfolgungsjagd angesetzt, doch all seine Überholmanöver nutzten wenig. Wegen der Kollision mit Bernau wurde dem die Österreicher die schwarze Flagge gezeigt, das Rennen war für ihn beendet. Hinter Stuart Oliver belegte Jose Rodriguez Platz 2, vor dem wieder erstarkten Jochen Hahn. Somit setzte Oliver sich auch erstmals in seiner Karriere an die Spitze der Gesamtwertung.<br />
Solch eine Dramatik gab es bei den Superracetrucks nicht. Doch Dank des Rückkehrers Markus Oestreich wird es wohl nicht die Saison einer haushoch überlegenen Buggyra-Armada. Seine Pole ausnutzend bog der Fuldaer in die erste Kurve, zuvor hatte es schon eine Berührung mit dem auf 2 gestarteten Gerd Körber gegeben. Der Rheinauer fiel leicht zurück, und gleich waren drei Kontrahenten an ihm vorbeigehuscht. Hart kämpfend konnte der Titelverteidiger schließlich wieder bis auf Rang 3 vorfahren, am Teamkollegen David Vrsecky biss er sich allerdings die Zähne aus. Hier wurde auch ganz deutlich, was Martin Koloc schon im Vorfeld verlauten ließ, eine Stallregie gebe es bei Buggyra nicht. Während Oestreich einem sicheren Sieg entgegenfuhr, schien Teamkollege Harri Luostarinen immer noch nicht so ganz mit dem PAM-MAN zurecht zu kommen. Über viele Runden lieferte er sich mit dem Matejovsky-Nachfolger Adam Lacko harte Gefechte um Platz 5, bis der junge Tscheche mehrfach von der Piste rutschte und zurückfiel.<br />
Im Cuprennen ließ Markus Oestreich dann nichts mehr anbrennen, auch wenn er seinen Sieg gegen einen ständig angreifenden Antonio Albacete hart verteidigen musste. Gerd Körber holte hier wieder den dritten Platz und musste seinem Landsmann in der Gesamtwertung nun knapp die Spitze überlassen. Oestreich hat nun 53 Punkte, Körber 49.