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Weichenstellung für 2005

Weichenstellung für 2005

24. September 2004Jahr für Jahr werden in der Zeit zwischen Zolder und Jarama die (vor)entscheidenden Gespräche für die folgende Saison geführt, oder es wird gar schon Beschlossenes bekannt gegeben. Bis Ende der 90er mussten sich zumindest die Spitzenteams auch dann keinerlei Gedanken machen, es lief alles wie von selbst, Truckracing boomte. Die Werke und alle anderen Beteiligten engagierten sich in immer stärkeren Maße. Verhältnisse, wie sie seit langem in der F1 üblich waren, begannen sich im FIA European Truck Racing abzuzeichnen, wenn auch nicht ganz auf diesem total überzogenen Niveau. Doch schon lange vor dem großen Crash im IT-Berich gab es in der Nutzfahrzeugindustrie die ersten Anzeichen der beginnenden Rezession. Als erster Großinvestor warf DAF das Handtuch, gerade zu einem Zeitpunkt, als sich erste Erfolge einstellten. Noch in Zolder hatten die Holländer eines der großartigsten Hospitality-Zelte in der Geschichte des Truckracings präsentiert, um direkt danach den Ausstieg aus der Serie zu verkünden.<br />
Ebenso kurz vor Zolder wurde 2001 von MAN bekannt, dass die Münchener, nachdem sie in der Saison alles gewonnen hatten, was es zu gewinnen gab, sich offiziell vom Truckracing zurückziehen würden. Das Engagement bei den SuperRaceTrucks wurde gänzlich eingestellt, die RaceTrucks erfuhren weiterhin recht umfangreiche Werksunterstützung. Nach dem Saisonfinale in Jarama verabschiedete sich auch Mercedes-Benz – allerdings ganz und gar.<br />
Seitdem darf jedes Jahr gerätselt werden, ob es denn in der folgenden Saison eine SuperRaceTruck-Klasse überhaupt noch geben wird. In diesem Jahr hat Peter Müllers Deutsche Post Team erst kurz vor Beginn der Rennen seinen großen Coup präsentiert, und mit Volkswagen den derzeit wohl potentesten Partner aus dem Hut gezaubert. Wie sehr man allerdings in der Wolfsburger Konzernzentrale auch mit dem Herzen dabei ist, ist von Außen nicht deutbar. Im PR-Bereich wird so gut wie nichts unternommen, obwohl Markus Oestreich sich mit seinem VW-Titan bereits nach wenigen Rennen als ernsthaftester Titelaspirant empfahl. Möglicherweise halten sich die Deutschen aber auch nur deshalb so bedeckt, weil niemand im Moment so recht weiß, wie sich Buggyra für das nächste Jahr entscheiden wird. <br />
Konnte man Ende letzten Jahres noch den Eindruck gewinnen, die Entwicklung des Freightliners, den Gerd Körber am Ring und Most so eindrucksvoll pilotierte, sei eher eine Privatsache, ja fast ein Hobby von Mario Kress, so zeigte sich im Laufe der letzten Monate, dass durchaus ernsthafte wirtschaftliche Interessen der tschechischen Renntruck-Schmiede dahinter stecken. Zur Diskussion steht derzeit die Möglichkeit reiner Kundenfahrzeuge mit unterschiedlich umfangreichen Servicepaketen für den Freightliner, und für die Buggyra SuperRaceTrucks das komplette Teamengagement wie in den vergangenen Jahren. Es könnte aber auch genauso gut umgekehrt sein, oder aber eine Mischform geben. Dass die Millionen teuren drei SuperRaceTrucks bald auf dem Buggyra-Gelände in Roudnice von Wildkräutern überwuchert werden wie einst Daniel Landas Sisu, damit rechnet eigentlich niemand.<br />
Die Entscheidung über das Wohl und Wehe der SuperRaceTruck-Klasse wird demnächst in Prag, oder genauer in Martin Koloc’ derzeitigem Domizil Dubai fallen. Denn möglich wäre es ja auch, dass motorsportverrückte Scheichs sich die Super-Renner zulegen, um beispielsweise Rennen auf Wüstenpisten auszutragen oder aber die Jagd nach dem Geschwindigkeitsrekord für Trucks fortzusetzen, um endlich die Marke von 300 zu knacken. <br />
Im Gegensatz zu den SuperRaceTrucks ist der Fortbestand der RaceTruck-Klasse sicherlich nicht gefährdet, ganz im Gegenteil. Mit dem Einsatz des Freightliners gäbe es sogar eine weitere Hintertür für Mercedes, sich wieder stärker zu engagieren. Ganz offen zeigte sich das Interesse des Konzerns schon jetzt in Belgien. Hatte man doch die beiden MB-RaceTrucks von Jochen Hahn und Nico Pulic zwar weit ab vom übrigen Fahrerlager jedoch demonstrativ neben das offizielle DaimlerCrysler-Hospitality-Zelt platziert. Und Egon Allgäuer scheint dem Truckracing weiterhin ganz neue Kreise zuführen zu wollen. Mit Prinz Alfonso de Orleans-Borbon, der in Jarama an den Start gehen wird, ist es dem österreichischen Teamchef doch nun schon zum zweiten Male gelungen, einen Piloten aus dem Hochadel den vierten MAN-TGA RaceTruck steuern zu lassen.