Freitag, 26.04.2024 | Deutsch | English
Wissenswertes zum Truck Racing: Overspeed - auch beim Start

Wissenswertes zum Truck Racing: Overspeed - auch beim Start

17. August 2016Jeder Truckracing-Fan weiß bei 160 km/h ist Schluss, da wird das Tempo der RaceTrucks in der FIA European Truck Racing Championship abgeriegelt – und das hat seinen Sinn.
Natürlich könnten die RaceTrucks schneller, trotz der enormen Masse von weit mehr als 5 Tonnen. Das hat David Vrsecky schon vor mehr als 12 Jahren gezeigt, als er mit einem Buggyra-SuperRaceTruck knapp 282 km/h erreichte – allerdings nicht auf einer Rennstrecke sondern in der Wüste von Dubai. Da war auch weit und breit nichts, was der Tscheche hätte niederwalzen können.
Doch anlässlich des spektakulären Einschlags des Schweizers Markus Bösiger in die Mauer der Start- und Zielgeraden des Zolder Circuit vor drei Jahren, wurde nochmal verdeutlicht, welche Bewegungsenergie sich da aufbaut. Übertragen auf die Formel 1 hieße dies, Hamilton, Rosberg und Co. müssten mit ihren Rennern mit rund 480 km/h über die Pisten rasen.
So sieht das Reglement der FIA ETRC auch massive Sanktionen für Overspeed vor.
War man in „grauer Vorzeit“ zur Überwachung des Tempolimits noch auf die Tachoscheibe angewiesen, die nach den Rennen ja noch ausgelesen werden musste, so wird mittlerweile alles per GPS-Signal überwacht.
Wer länger als 2,75 Sekunden zu schnell ist, wird bestraft, je nach Dauer und Häufigkeit des Vergehens mit unterschiedlich großen Zeitaufschlägen oder gar mit dem Rennausschluss.
Wer mehr als 170 km/h fährt, wird grundsätzlich disqualifiziert.
Nun traf es in Nogaro am Sonntagabend nach dem letzten Rennen aber gleich sechs Pilotinnen und Piloten – und dann auch noch wegen Überschreitung des Speed Limits beim Start.
Natürlich war das eine Geschichte, die gleich ihre Runde machte und oft nicht verstanden wurde - schon mehr als 160 km/h beim Start?
Auch wenn ein RaceTruck ein ungeheures Beschleunigungsvermögen hat und nach rund fünf Sekunden sein Renntempo bereits erreicht, hier ging es nicht um das schnelle Tempo nach dem Start, sondern um die Geschwindigkeit vor dem Start.
In der FIA ETRC wird rollend gestartet.
Ein stehender Start mit soviel Masse wäre einfach viel zu gefährlich, auch wenn die Boliden auf mittlerweile „nur noch“ 5.300 kg „abgespeckt“ worden sind.
Zudem könnte die ungeheure Kraft der RaceTruck-Maschinen mit mehr als 5.500 Nm – zum Vergleich ein aktueller Porsche 911 Carrera 4S mit 420 PS hat ein Drehmoment von 500 Nm – auch schnell die komplette Antriebseinheit zerlegen.
Die Prozedur des rollenden Starts ist im Reglement der FIA ETRC klar geregelt.
In der Formation Lap gibt der PaceTruck das Tempo vor, es soll zwischen 50 km/h und 70 km/h liegen.
Nachdem der PaceTruck eingeschert ist, hat sich alles nach dem Polesetter zu richten – bis die Startampel auf „Grün“ springt und in den Kopfhörern der Fahrerinnen und Fahrer das berühmte „GO,GO,GO!!!“ der die Startampel beobachtenden Teammitglieder dröhnt.
Dann endlich können die Pilotinnen und Piloten ihren weit über 1.200 Pferdchen freien Lauf lassen.
Doch bis es so weit ist, heißt es, sich in Geduld zu üben, das Tempo von 50 km/h nicht zu unter- und das von 70 km/h nicht zu überschreiten.
In Nogaro waren es dann gleich Sechs auf einen Streich, die ungeduldig wurden und einfach nur dem Herdentrieb folgend ihren eigenen Tacho ganz aus dem Blickfeld verloren.
Nun wären regelkonform alle Temposünder ja mit einer „Drive Through Penalty“, einer Durchfahrtsstrafe belegt worden. Dabei muss einmal die Boxengasse ohne Halt durchfahren werden, natürlich ohne Überschreitung des dort geltenden Tempolimits – in der Regel sind das 60 km/h.
Doch in Nogaro schien man dem Braten wohl nicht so recht zu trauen, zumal ja gleich sechs Trucks betroffen waren, und die waren dann zum Teil auch noch massiv zu schnell – der schnellste Truck fuhr 83,9 km/h.
So wertete man nach dem Rennen erstmal in Ruhe die Daten der betroffenen Pilotinnen und Piloten aus.
Jochen Hahn und Adam Lacko, die beiden Erstplazierten des vorherigen Rennens fuhren gemäß der umgekehrten Startreihenfolge in der vierten Reihe.
Sie hatten sich nicht vom Übermut der vor ihnen Startenden anstecken lassen. Der Deutsche und der Tscheche hielten sich strikt an das 70er-Limit - zum Glück all derer, die hinter ihnen fuhren.
Der holländische Scania-Pilot Erwin Kleinnagelvoort freute sich noch beim Truck-Grand-Prix am Ring über seinen unverhofften 4. Platz von Nogaro, sagte aber auch: „Ich war froh, dass ich hinter Jochen lag, ich hätte mich sonst auch von denen da vorne mitreißen lassen, ich habe auch nur nach vorn und nicht auf den Tacho geguckt. Ich dachte noch, warum lassen Jochen und Adam so eine Riesenlücke... nach dem Rennen wusste ich es.“