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Zolder Vorbericht

Zolder Vorbericht

07. September 2010Immer wenn es Herbst wird, beginnt in Zolder der Endspurt der FIA European Truck Racing Championship. Und was zwei Wochen zuvor das tschechische Most für die ost- und süddeutschen Truckracingfans war, ist das belgische Zolder für die nord- und westdeutschen, eine Art Heimspiel. So wird ein Großteil der Besucher der Traditionsrennstrecke gerade mal 60, 70 km hinter der Grenze auch wieder aus Deutschland kommen. Viele kommen als Camper, und für die hat Zolder eine Besonderheit zu bieten wie sonst kein anderer Circuit, der Campingplatz liegt mittendrin, die Truckracer fahren im wahrsten Sinne des Wortes drumherum. Für diese Idylle werden die Piloten aber kaum ein Auge haben, beginnt doch jetzt für sie der Endspurt.
Jeder einzelne Pilot kann noch 180 Punkte holen, auch wenn die Maximalzahl von 60 Punkten an einem Wochenende seit der Regeländerung niemand mehr geschafft hat. Im zweiten Rennen starten seit der letzten Saison die acht Erstplatzierten des vorherigen Rennens ja in umgekehrter Reihenfolge. Der Sieger muss also erst einmal sieben vor ihm startende Konkurrenten überholen, um erneut auf dem Treppchen ganz oben zu stehen. Das ist möglich, David Vrsecky (CZE) – Le Mans 2009 – und Antonio Albacete (ESP) – Jarama 2009 und Albacete 2010 – haben es gezeigt, aber es gelang ihnen eben auch nur an einem der jeweils 2 Renntage.
Während man es dem Spanier, der im Moment ja auch das Gesamtklassement anführt, in den restlichen Rennen das Kunststück durchaus noch einmal zutrauen könnte, scheint der Titelverteidiger aus Tschechien etwas von der Rolle. Beim letzten Rennen auf der Heimstrecke Vrseckys hatte das Team gehofft, dass nun endlich der Knoten platzen würde – und dann ging eigentlich fast alles daneben. Der Titelkampf ist so nun zu einem Dreikampf geworden. Albacetes deutscher MAN-Markenkollege Jochen Hahn hat derzeit 36 Punkte Rückstand auf den Spanier und damit marginal bessere Aussichten als Renault-Pilot Markus Bösiger. Nach seinem Einbruch in Smolensk trumpfte der Schweizer Europameister aus dem Jahre 2007 in Most zusammen mit seinem deutschen Teamkollegen Markus Oestreich wieder richtig auf. Für den zweiten Markus im MKR-Rernault-Team kommt das vielleicht doch etwas zu spät. 92 Punkte sind theoretisch zwar auch noch aufzuholen, doch wenn Albacete tatsächlich ein paar ganz böse Schnitzer haben sollte, liegen vor dem langen Fuldaer ja immer noch Hahn und Bösiger. Doch gerade für diese Beiden ist Zolder so etwas wie eine Schicksalstrecke. 2006 sah Hahn wie der sichere Meister aus, und dann holte der Schwabe – damals noch auf Mercedes – in Zolder 12 Pünktchen. Und für Bösiger, der im letzten Jahr meinte, er habe in der ersten Saisonhälfte genug Pech gehabt und dann in Zolder zum Angriff auf die beiden führenden Albacete und Vrsecky blasen wollte, reichte es nach diversen Ausfällen gerade mal zu 9 Zählern. Auf dieser crashträchtigen Strecke sind eben schon so manche Hoffnungen zerplatzt.
Auch wenn Oestreichs Titelaussichten unrealistisch sind, könnte er in Zolder seinen fulminanten Auftritt von Most – zwei Mal Pole, drei Mal Podium und Punktbester –wiederholen, würde er nicht nur die deutschen Fans jubeln lassen, sondern den drei vor im liegenden Titelaspiranten das Leben auch noch mal besonders schwer machen.
Gern bejubelt hätten sicherlich auch viele Norddeutsche ihren Hendrik Vieth. Die technischen Probleme von Most an dem vom privaten MB-Motorsportteam eingesetzten Mercedes-Benz erwiesen sich jedoch als gravierender. Mit dem Mini-Budget und der extrem kleinen Mannschaft war das in der kurzen Zeit nicht zu schaffen. Nun hoffen die Mannen um Teamchef Markus Bauer auf einen Saisonausklang in Jarama. Da sieht es bei dem zweiten Newcomer der Saison, dem Buggyra-Piloten Uwe Nittel wesentlich besser aus. Das Rallye-As aus Schwaben wird die komplette Saison zu Ende fahren. Da bleibt aus Sicht seiner deutschen Fans nur zu hoffen, dass ihm der Schreck nach der spektakulären Karambolage in Most mit dem MAN von Alex Lvov (RUS) nicht mehr in den Gliedern steckt. Und mit Sascha Lenz startet schließlich noch ein Deutscher in Zolder. Der Sohn vom „King vom Ring“ ist nicht so vermessen zu glauben, jetzt direkt in die Punkte fahren zu können. Schließlich sind insgesamt 23 RaceTrucks am Start, von denen die meisten mehr PS unter der Haube haben als der Lenz-Mercedes.
Trotz der vielen deutschen Starter in Zolder, mit fünf Piloten ist Frankreich am stärksten vertreten. Jean-Pierre Blaise, der einzige Belgier im Truckracing, wird besonderen Ehrgeiz entwickeln, sich bei seinem Heim-Grand-Prix wieder etwas von seinem punktgleichen MAN-Kollegen und „Erzfeind“ Jose Bermejo absetzen zu können. Blaise und der Spanier lieferten sich in den letzten Rennen Kampfeinlagen, die die Zuschauer zwar begeisterten, bei beiden Trucks aber auch heftige Spuren hinterließen.
Zolder ist wieder ein reines 2-Tage-Event, und für beide Tage sind die Wetterprognosen recht durchwachsen. Bewölkter Himmel wird sicherlich vorrangig herrschen, bei etwas Pech können hin und wieder auch mal ein paar Regentopfen fallen. Starkregen ist nicht angesagt, aber bei den gegenwärtigen Wetterkapriolen wäre es nicht so schlecht, immer einen Regenschirm dabei zu haben.